Einblick

Forderung: Corona-Bonus auch für die Mitarbeiter*innen in der Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie

Pflegebonus Behindertenhilfe

Bei der Zahlung des Pflegebonus, sind die Mitarbeitenden der Eingliederungshilfe bislang aus nicht nachvollziehbaren Gründen ausgeschlossen. Der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe e.V. (BeB e.V.) hat reagiert und startet vor diesem Hintergrund aktuell eine Kampagne, an der wir uns als Mitgliedseinrichtung beteiligen. Ute Herbst, Geschäftsführerin der Diakonie Michaelshoven Leben mit Behinderungen hat eine klare Forderung. Auch Mitarbeitende aus dem Bereich kommen mit persönlichen Statements zu Wort.

Ute Herbst: "Mitarbeitende der Eingliederungshilfe von der Politik vergessen"

"Eine unverzichtbare Berufsgruppe wie die der Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie zum zweiten Mal von der Zahlung des Pflegebonus auszuschließen ist schlichtweg unverständlich und gegenüber den Mitarbeitenden ein absolut schlechtes Signal, sagt Ute Herbst, Geschäftsführerin der Diakonie Michaelshoven Leben mit Behinderungen gGmbH.

Im gesamten pandemischen Verlauf unterlagen die Mitarbeitenden der Eingliederungshilfe den gleichen Bestimmungen, Anforderungen und Einschränkungen wie die Mitarbeitenden der Pflege, die erfreulicherweise bereits vom Pflegebonus profitieren konnten.

Hinzu kamen Personalvakanzen durch vermehrte Krankenstände und Quarantänen sowie vielfache Krisen und Konflikte im Betreuungsalltag als Auswirkungen der Pandemie.

Menschen mit zum Teil starken intellektuellen Einschränkungen sowie psychisch erkrankte Menschen zeigten irritiertes Verhalten auf die ständigen und kurzfristigen Veränderungen. Mitarbeitende hielten den Alltag konsequent aufrecht und gerieten dabei nahezu an die Grenzen ihrer Belastbarkeit.

Die Belastungen waren anhaltend hoch, beschreibt Ute Herbst die Situation. Mitarbeitende haben mit maximalem Einsatz unter zum Teil schwersten Bedingungen verbunden mit dem eigenen Risiko einer möglichen Infektion sowie vieler persönlicher Einschränkungen in ihrem Privatleben dazu beigetragen, Betreuungen durchgängig, zuverlässig und alternativlos zu sichern. Eine gesellschaftliche Anerkennung wäre hier mehr als angemessen.

Ute Herbst fordert daher auch für die Mitarbeitenden der Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie eine Gleichbehandlung bei der Zahlung des Pflegebonus als Anerkennung und Wertschätzung ihrer Leistungen. Das überdurchschnittliche Engagement der Mitarbeitenden über diesen langen Zeitraum hinweg war nur möglich aufgrund der starken Identifikation der Mitarbeitenden mit ihrer Arbeit. Keinesfalls selbstverständlich und mehr als ein Dank wert."

Kathrin Königs - Ambulant Betreutes Wohnen

"In den vergangenen zwei Jahren haben sich alle unsere Kolleg*innen engagiert und oft unter schwersten Bedingungen für die uns anvertrauten Menschen in den ambulanten Bereichen und den stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe eingesetzt, damit deren Betreuung sichergestellt war. Dabei unterlag die Arbeit den gleichen Einschränkungen wie in allen Kranken- und Pflegeeinrichtungen. Dazu gehören insbesondere die hohen Testauflagen und umfänglichen Schutzkonzepte, die Kontaktbeschränkungen, der Personalmangel und die Ausfälle durch Erkrankungen und Quarantänebestimmungen, die potentielle Ansteckungsgefahr, das schwierige Quarantänemanagement in den Wohngruppen oder bei betroffenen Betreuten im Ambulanten Wohnen usw.

Dies sollte anerkannt und belohnt werden und kann vielleicht ein kleiner Anreiz sein, dass diese Mitarbeitenden auch in Zukunft noch bereit sind dieses Engagement aufzubringen."

Carsten Gosmann - Ambulant Betreutes Wohnen

Im Rahmen des Ambulant Betreuten Wohnens unterstütze ich unsere Klienten weiterhin während der Pandemie. Diese litten aufgrund von sozialer Isolation, dem Wegfall der Alltagsstruktur (Beschäftigungen in Werkstätten, Teilnahme an Freizeitveranstaltungen etc.) sehr unter der psychischen Belastung. Oftmals wurden diese Belastungen  von den Mitarbeitenden des Betreuten Wohnens aufgefangen. Aufgrund von Lockdowns,  der Schließung der Kindergärten, der Kontaktvermeidung  etc. kam  bei den Beschäftigten eine private Belastung hinzu, die sich mitunter schwer mit dem beruflichen Alltag  vereinbaren ließ und sich bei  den Mitarbeitenden ebenfalls psychisch belastend auswirkte. Aus diesem Grunde würde ich die Zahlung des Pflegebonus sehr begrüßen.

Sofia Chalkidou - Teamleiterin Wohngruppe

"In der Corona Pandemie sind alle Mitarbeitende vor extremen Herausforderungen und Belastungen ausgesetzt mit maximalem Einsatz, um die bestmögliche, individuelle Betreuung zu gewährleisten. Krisen bewältigen, den Bewohnern Struktur geben in Zeiten, wo die Werkstätten geschlossen waren. Besonderer Umgang mit schwierigen Angehörigen, die zum Teil vieles nicht eingesehen und dagegen gearbeitet haben wie zum Beispiel bei den Impfungen und Testungen.

Ein Pflegebonus wäre das Mindeste an Anerkennung und Dankbarkeit an unsere Berufsgruppe, die in der Corona Pandemie auf vieles Private verzichten musste, um diesen Menschen Kraft, Sicherheit, gute und adäquate Pflege, Vertrauen und Zusammenhalt zu geben."

Tanja Krapp - Mitarbeiterin Wohngruppe

"Seit der Corona-Pandemie hat sich unser Leben massiv verändert. Beruflich wie privat mussten wir vieles einstecken. Kontakt frei, Quarantäne und Ausgangssperre. Und dennoch für unsere Bewohner da sein, sie täglich im Alltag unterstützen, Hilfreich sein, obwohl die gesamte Last der Pandemie und die Covid Schutzmaßnahmen uns massiv belasteten. Jeder der hört, in welchen Beruf wir arbeiten, sei es in der Diakonie Michaelshoven oder in anderen Einrichtungen arbeiten, beneiden uns nicht.

Wir konnten uns nicht schützen und in den Homeoffice gehen. Wir waren vor Ort. Haben uns Pläne ausgedacht wie wir uns und unsere Bewohner schützen konnten und was passiert, wenn der Virus im Haus ist. Unabhängig von unserer psychischen und physischen Belastungen hielten wir durch. Egal was uns auferlegt wurde: Masken und zeitweise Schutz Ausrüstung tragen. Kein Essen mitbringen, im 24-Stunden-Dienst durchgehend eine Maske tragen, die Bewohner*innen, so gut es uns gelang noch ein normales Leben zu ermöglichen, obwohl sie ebenfalls massiv betroffen waren und fast in einen Hausarrest geschickt wurden. Wir alle haben es hingenommen und durchgehalten für „Billigen Applaus“, der zwei Monate anhielt.

Und wir halten immer noch durch: aus Liebe und Leidenschaft zu unserem Berufen.

Aber wir alle empfinden es als höchst unfair das man immer wieder „nur“ hört was im Krankenhaus passiert oder in Altenheimen. Alle weiteren Berufe, die keine oder zu wenig Dank erhalten fallen, wie üblich, vom Tellerrand. Wir alle halten durch und wollen die gleiche Wertschätzung, haben wie jeder andere der Durchhält. Denn nicht weniger haben wir verdient."

Melanie Wendling - Fachdienst Behindertenhilfe

"Die Zeit der Pandemie war schwer. Schwer und anstrengend. Privat, aber vor allen Dingen beruflich. In der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen besteht ein großer Baustein aus der Vermittlung von Sicherheit und Strukturen. Strukturen, in denen die Menschen Verlässlichkeit erleben. Verlässlichkeit in ihren Abläufen und in ihren sozialen Beziehungen. All das ist von einem Tag auf den anderen zusammengebrochen. Auf einmal durften Menschen, die stolz jeden Tag in die Werkstatt gefahren sind, nicht mehr arbeiten gehen und konnten ihre Angehörigen und Bezugspersonen nicht mehr wie gewohnt sehen.

Das hat zu massiven Verunsicherungen und oft auch herausfordernden Verhalten geführt. Verhaltensweisen, auf die wir als pflegende und assistierende Bezugspersonen reagieren mussten. Krisen die wir aufgefangen und begleitet haben. Auch wenn wir auf die so oft gestellte Frage: „Wann ist Corona endlich vorbei?“ selber keine Antwort wussten. Dafür haben wir lernen müssen in Schutzkleidung zu arbeiten. Sensibel auf gesundheitliche Veränderungen zu achten. Menschen zu begleiten, die nicht verstehen, warum ihr ganzes Leben sich verändert. Warum sie auf einmal „in Quarantäne sind“ und nicht einkaufen gehen dürfen. Ihre Liebsten nicht sehen dürfen. Für uns hieß das, arbeiten und dann direkt nach Hause und hoffen, dass man das Virus nicht mit in die Familie bringt. Ein Leben für die Arbeit, um die Versorgung der Menschen die wir begleiten auch in dieser Situation bestmöglich sicherzustellen. Ausfälle bei Kolleg*innen auffangen, Überstunden, verlängerte Dienste und trotzdem versuchen, die vielen emotionalen Krisen bei den Menschen, die wir begleiten, ebenfalls aufzufangen, obwohl wir selber physisch und psychisch oft an unsere Grenzen kamen.

Die Auswirkungen spüren wir bis heute. Viele Menschen, die wir begleiten, konnten noch nicht in ihren Alltag zurückfinden und benötigen intensivere Assistenz. Der Krankenstand unter den Kolleg*innen ist gefühlt so hoch wie nie. Fast täglich hört man von Kündigungen. Und das in Zeiten des Fachkräftemangels. Auch wir Mitarbeitende der Behindertenhilfe und der Sozialpsychiatrie haben seit Ausbruch des Corona-Virus unter Bedingungen arbeiten müssen, die man sich vor drei Jahren nicht ansatzweise vorstellen konnte.

  • Auch wir möchten, dass unser Einsatz wertgeschätzt wird. Und da reicht leider das gut gemeinte Klatschen vom Balkon aus nicht.
  • Auch wir haben ein Recht darauf gesehen und für unseren Einsatz honoriert zu werden. Darum ist es, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels, ein trauriges Zeichen, die Bereiche der Behindertenhilfe und der Sozialpsychiatrie zu „vergessen“.
  • Auch wir haben ein Recht auf die Honorierung unserer Leistungen. Denn auch wir sind an unsere Grenzen gegangen. Und darüber hinaus."

Antoinette Cremer-Lanfermann - Betreutes Wohnen Sozialpsychiatrie

Gründe für eine Corona Hilfe in der Eingliederungshilfe

  • Die psychisch erkrankten Klient*innen wurden in der Pandemie isoliert und benötigten noch mehr Unterstützung und Nähe als ohne Corona. Angst vor Bahnfahrten, Schließung der Werkstätten, ausgesetzte Klinikaufnahmen usw. Besondere Zuwendung und Verständnis waren Teil der Betreuungsarbeit. Viele aufmunternde Worte und Optimismus, „Durchhalten“ waren notwendig und forderten die Mitarbeitenden heraus.
  • Impfgegner, Coronaleugner unter den Klient*innen wurden respektiert, aber dennoch um Verständnis geworben für die Regeln. Immer wieder bedarf es der Aufforderung, die Masken überhaupt und auch korrekt zu tragen und sie zur Impfung zu motivieren. Den Spagat hinzubekommen, die Menschen weiter gut zu betreuen und gleichzeitig deren Ablehnung auszuhalten, war neben den anderen schwierigen Themen anstrengend.
  • Die Mitarbeitenden waren täglich dem Risiko ausgesetzt, sich anzustecken und dennoch den Kontakt nicht abreißen zu lassen, lange Zeit nur telefonisch und ihnen verständlich zu machen, dass Hausbesuche derzeit nicht möglich sind. Das haben manche von ihnen nur sehr schwer ausgehalten, benötigten sie gerade in der Krise viel Reflexion und Aufmunterung.
  • Das ganze Team musste auf Zusammenkünfte verzichten, Teambesprechungen, Supervision, alles lag auf Eis oder konnte nur digital stattfinden, aus Sorge, dass das Team nicht mehr arbeitsfähig ist, wenn sie sich gegenseitig anstecken. Auch hier war man mehr auf sich selber zurückgeworfen und auch die inhaltliche Arbeit, der Austausch von Infos und Fallbesprechungen litt darunter. Die Sorge, sich anzustecken, beherrschte den Arbeitsalltag, sollte die Arbeit dennoch nicht negativ verändern.
  • Der wirtschaftliche Druck blieb dennoch bestehen, so dass sich das ganze Team sehr bemühte, die Regeln einzuhalten, den Betrieb aufrecht zu erhalten und die Qualität der Arbeit nicht zu vernachlässigen. Trotz der vielen ausgefallenen Face-to-Face Kontakte in einem Raum.
  • Dennoch wurden Kolleg*innen krank oder gingen in Urlaub, alles wurde aufgefangen bis zur Belastungsgrenze, um die Klient*innen weiter bestmöglich zu betreuen.
  • Wir erhielten eine Notwendigleitsbescheinigung, um auch abends oder nachts bei Ausgangssperren das Haus für die Arbeit verlassen zu dürfen, dies zeigt doch bereits unsere hohe Bedeutsamkeit, aber gleichzeitig auch unsere große Belastung.
  • Auf viele private Kontakte wurde verzichtet, um nicht bei der Arbeit zu fehlen. Das kostete viel Kraft und manche aus dem Freundeskreis verstanden dies nicht. All das für die Menschen, die unsere Unterstützung brauchen.
  • Die Belastung und Einschränkung fand im privaten als auch beruflichen Kontext gleichzeitig statt, so dass ein guter und notwendiger Ausgleich kaum stattfinden konnte. Work-Life-Balance blieb auf der Strecke.
  • Kitas blieben zu, so dass ich als mehrfache Großmutter einspringen musste, damit die Eltern ihrer Arbeit nachgehen konnten oder die Mutter krank war und die Enkel versorgt werden mussten, bis der Vater zu Hause war. Auch die hoch betagte Mutter benötigte gerade jetzt viel Zuwendung und Aufmerksamkeit, und ich arbeitete wie viele andere oft am Limit.

Anonym

"In der Berufsbezeichnung „HEP“ steckt das Wort Pflege drin: Heilerziehungspfleger/in. Meine Kolleg*innen und ich schauen täglich im Schichtbetrieb, dass es unseren Bewohner*innen (gehandicapt, Verhaltensauffällige, so wie Menschen mit Autismus-Spektrums-Störung) gut geht und unterliegen genauso den teilweise nur schwer zumutbaren Regelungen der Coronaschutzverordnung. Wir setzten uns außerdem jeden Tag genauso der Gefahr  aus an SARS-CoV-19 zu erkranken, wie die Kolleginnen und Kollegen in einem Krankenhaus oder einem Altenheim.

Sei es durch Kontakt mit Fremdpersonal, wie Betreuern in den Werkstätten, die Busfahrer, die die Bewohner abholen oder durch andere berufsbedingte Kontakte. Wir leisten auch Tag für Tag also Großes und sind der gleichen Gefahr ausgesetzt. Warum werden wir also einfach vergessen oder gar übergangen?"

Olga Kelniarz - Fachreferentin der Eingliederungshilfe

"Seit März 2020, nun mehr über zwei Jahre stellt die Corona Pandemie leistungsberechtigte Personen und Mitarbeiter*innen der Eingliederungshilfe gleichermaßen vor hohe Herausforderungen. Werkstätten für Menschen mit Behinderung mussten teilweise über Wochen schließen, Strukturen der leistungsberechtigten Personen brachen weg und diese mussten intensiv begleitet und betreut werden. Leistungsberechtigte Personen mussten rund um die Uhr in ihren Wohnformen verbleiben und dort betreut werden. Dies führte bei vielen leistungsberechtigten Personen zu auffälligem Verhalten bis hin zu Krisen. Aufgabe der Mitarbeiter*innen war es umsichtig und weit über die eigenen Belastungsgrenzen hinaus durch die Pandemie zu begleiten.

Es galt aufzuklären, Ängste zu nehmen, neue Strukturen schaffen, während die Krankheitsstände des Personals immer mehr stiegen. Mitarbeiter*innen mieden private Kontakte zu Freunden und Familie, um leistungsberechtigte Personen aus Risikogruppen zu schützen und den Dienstplan abzudecken, während Betreuungszeiten bei gleichem oder weniger Personalstand stiegen.

Neue herausfordernde Verhaltensweisen schufen höheren Unterstützungsbedarf. Mitarbeiter*innen der Eingliederungshilfe waren und sind fachlich maximal gefordert, trotz Mehrbelastungen leistungsberechtigte Personen personenzentriert und individuell zu betreuen, sowohl pflegerisch, als auch pädagogisch. Soziale und emotionale Lücken, die durch fehlenden Besuch von Angehörigen entstanden wurden von Mitarbeiter*innen gefüllt, während viele sich selbst einsam zu Hause isolieren mussten. Es hieß Quarantänegruppen zu betreuen und versorgen und somit einem hohen Risiko der Ansteckung ausgesetzt zu sein. Masken und Schutzkleidung mussten über die normale Arbeitszeit hinaus getragen werden, oft ohne Pausen, da die Betreuung in der Wohnform sonst fehlte. Die Liste der Leistungen erstreckt sich weit über alle Lebensbereiche.

Für Einrichtungen der Eingliederungshilfe gelten nach wie vor Einschränkungen, die die dort lebenden und arbeitenden Menschen weiterhin belasten und nur stückweise gelockert werden. Der Arbeitsalltag in der Eingliederungshilfe bleibt weiterhin maximal herausfordernd und es ist noch nicht abzusehen für wie lange. Daher ist es nicht nachzuvollziehen und akzeptieren, dass Mitarbeiter*innen der Eingliederungshilfe erneut von einer Bonuszahlung ausgeschlossen werden, die sie so, wie ihre Kolleg*innen aus Pflegeeinrichtungen, zu 100% verdient haben."

Sarah Falkenberg - Stellvertretende Wohngruppenleiterin

"Die Pflegeeinrichtungen unterscheiden sich zu den Besonderen Wohnformen der Behindertenhilfe lediglich in ihren fachlichen Schwerpunkten. Der Betreuungsauftrag wird in beiden Fällen von geschultem Personal gewährleistet. In beiden Settings ist eine 24 -Stunden-Betreuung unabdingbar. Die genannten Wohnformen stellen für die jeweiligen Leistungsberechtigten ihr Zuhause dar, so dass die Einrichtungen weder kurzfristig geschlossen noch ausgegliedert werden können. Selbst bei Personalengpässen oder Covid-19- Infektionsausbrüchen wurde die Versorgung der Leistungsberechtigten stets gewährleistet. Aus diesem Grund wurde das Personal der Behindertenhilfe als systemrelevant eingestuft und von Home-Office oder Kurzarbeit ausgeschlossen. Es bestand im Lockdown eine Unabkömmlichkeitsbescheinigung der Mitarbeiter*innen zur Sicherstellung der Versorgung der Leistungsberechtigten. Arbeitsquarantänen wurden teilweise für Mitarbeiter*innen erlassen, um die Grundversorgung der Leistungsberechtigten überhaupt aufrecht erhalten zu können. Schutzmaßnahmen und Hygienekonzepte sind gleichgeschaltet mit denen der Pflegeeinrichtungen. Die Mitarbeiter*innen unterliegen denselben Bestimmungen (Maskenpflicht, Testpflicht, Besucher-Screening etc. ) und mussten den gleichen Mehraufwand zu ihrer regulären Arbeit leisten.

Personalengpässe, Mehraufwand durch Lockdown, zeitweise Schließung der Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Quarantäne-und Isolationsversorgungen von Leistungsberechtigten mussten durch die Mitarbeiter*innen bewältigt werden. Eine intensivierte pädagogische Begleitung der Leistungsberechtigten im bio-psycho-sozio-therapeutischem Milieu, als Folge der anhaltenden Pandemie, musste durch die Mitarbeiter*innen der Behindertenhilfe gewährleistet werden. Die starken Veränderungen der bekannten Lebenswelt der Leistungsberechtigten und temporären Trennungen von deren Angehörigen durch Coronaregelungen, stellten eine große emotionale Herausforderung dar und konnte nur durch die hohe Bereitschaft der Mitarbeiter*innen der Behindertenhilfe bestmöglich begleitet werden.

Hier war eine Sicherstellung der Betreuung der Leistungsberechtigten nur durch das überdurchschnittliche Engagement der Mitarbeiter*innen überhaupt möglich. Die Bereitschaft den Mehraufwand der Betreuung während einer Pandemie und auch während massiver pandemiebedingter Krankheitsausfällen im Personal zu leisten war bezeichnend. Häufig ordneten die Mitarbeiter*innen in akuten Krisen (Bsp. Covid-19-Infektionsausbrüchen innerhalb der Einrichtungen) ihre privaten Interessen vollständig unter, um die Versorgung der Leistungsberechtigten zu sichern und gingen dabei bis an ihre Grenzen und darüber hinaus. Durch die starke Identifizierung mit dem eigenen Beruf und dem Leitbild der Einrichtung konnten diese besonderen Umstände überhaupt erst, über eine solchen langen Zeitraum, bewältigt werden.

Es entstanden für die Mitarbeiter:innen durch die Versorgung von nachgewiesenen Covid-19 positiven Personen erhöhte Gesundheitsrisiken oder sogar gesundheitliche Nachteile (Ansteckung/ Ansteckung mit tlw. Langzeitfolgen)  Unter den Mitarbeiter:innen befinden sich ebenso Personen mit Vorerkrankungen, die somit selbst eigentlich zur vulnerablen Personengruppen gezählt werden können.

Einrichtungen der Behindertenhilfe gewährleisten ein hohes Maß an pädagogischer Begleitung, sowie Sicherung der Grundpflege und in Teilen Behandlungspflege. Ich konnte durch meine Tätigkeit als Heilerziehungspflegerin und stellvertretende Teamleitung zweier Wohngruppen der Behindertenhilfe in der Praxis selbst die Erfahrung machen, dass die Versorgung der Leistungsberechtigten, ohne den Einsatz der Mitarbeiter:innen der Behindertenhilfe,  alternativlos gewesen wäre und unterstützte daher die Forderung der Zahlung eines Corona Bonus."

Michaela Pawlik - Angebotsleitung Wohngemeinschaften Sozialpsychiatrie

"Die notwendigen Maßnahmen zum Schutz vor Corona hatten eine massive zusätzliche psychische Belastung unserer Betreuten zur Folge. Nicht nur, dass die Angst vor Corona sie an Grenzen bringt, Maskenpflicht und  Kontaktbeschränkungen (hier meine ich nicht nur die Quarantänenotwendigkeiten sondern auch die Abstandsregeln) sorgen dafür, dass Betreuungssituationen erschwert sind. Das Entschlüsseln von Mimik ist eine besondere Herausforderung für alle.

Auch die Testprozeduren tragen zu Mehrbelastungen bei. Nicht alle LB, und hier sind besonders die ungeimpften Personen unsere Sorgenkinder, haben das regelmäßige Testen positiv bzw. als sicherheitsgebend bewertet. Besonders belastend waren die Abläufe, bevor unsere Betreuten in die Klinik aufgenommen werden konnten. Die Vorgaben „behinderten“ die LB zusätzlich und akut. Ein Beispiel: Personen konnten in die Klinik überwiesen werden, mussten vor einer regulären Aufnahme einen PCR-Test machen und in Quarantäne vor Ort das Ergebnis abwarten (24-48 Std.). Im Quarantänebereich gab es ein Rauchverbot und keine Möglichkeit dafür „vor die Tür zu gehen“.

Was bedeutet(e) dass nun für die Mitarbeiterinnen? Folgende Mehranforderungen mussten und müssen bewältigt werden

  • psychische Krisen bei, zu vor-Corona-Zeiten überwiegend stabilen, Bewohnerinnen
  • mehr und teilweise lebensbedrohliche Krisen bei instabilen Bewohnerinnen
  • Ablehnung von Klinikaufenthalten durch Bewohnerinnen, trotz Behandlungsbedürftigkeit, wg. der oben beschriebenen Quarantänebedingungen
  • betreuen der dann „unbehandelten“ Bewohnerinnen – eine besondere Herausforderung wenn, wie geschehen, Suizidalität und Aggression mit im Spiel sind
  • immer wieder und nachhaltig zu Coronaschutzmaßnahmen (Testung, AHAL, einhalten der Quarantäne) motivieren, ja sogar „anweisen“
  • mit der ständigen eigenen Sorge umgehen sich selbst anzustecken, da in sozialpsychiatrischen Arbeitsfeld Betreute nicht immer „vernünftig“ sind/sein können."
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