Blog der Diakonie Michaelshoven

Besondere Menschen aus Köln erzählen besondere Geschichten

Wir wollen Einblicke in außergewöhnliche Lebenswelten schaffen und euch die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen vorstellen, die bei uns leben und arbeiten. Außerdem stellen wir euch besondere Projekte vor, die helfen, die Lebensqualität dieser Menschen zu erhöhen.

Und es gibt immer mehr Menschen in Köln, die diese Unterstützung benötigen. Umso wichtiger ist es hinzuschauen und aktiv zu werden, indem ihr die Geschichten weitererzählt oder sogar ehrenamtlich helft. Nur so können wir näher zusammenrücken! Wir wünschen euch viel Spaß auf diesen Seiten und freuen uns auf euer Feedback.

Einblick

Zwischen Plattenbau und Karibik ein neuer Lebensabschnitt

Vom Plattenbau in die Karibik

Für Chantal B. begann 2017 ein großes Abenteuer. „Mein ganzes Leben hat sich geändert. Meine Grenze war bis dahin Köln und mein Stadtteil Chorweiler“, sagt die 19-Jährige. Durch das Kinder- und Jugendzentrum „Seeberger Treff“ in Köln-Chorweiler wurde ihr ein Stipendium für ein Auslandsjahr in der Karibik ermöglicht. Danach krempelte sie ihr ganzes Leben um und schmiedet nun große Pläne.

Plattenbau, Multikulti und das City-Center. Das ist für viele der Stadtteil Chorweiler im Kölner Norden, der oft nur als sozialer Brennpunkt stigmatisiert und beschrieben wird. Dabei gibt es hier zahlreiche Erfolgsgeschichten von Menschen aus dem Bezirk. Eine von ihnen hat Chantal B. erlebt, die hier mit ihrer Familie lebt. „Chorweiler ist nicht Marienburg. Aber so schlimm ist es hier nicht“, sagt die 19-Jährige. Doch vor ihrem Auslandsjahr 2017 lief es nicht rund bei ihr. „Ich war in der Realschule zwar ganz gut, aber mit dem Kopf woanders, weil ich mit Leuten unterwegs war, die mir nicht gutgetan haben und in kriminellen Kreisen unterwegs waren“, erzählt sie. „Wenn das Auslandsjahr nicht gewesen wäre, dann weiß ich nicht, wo ich jetzt stehen würde.“

Chorweiler ist nicht Marienburg. Aber so schlimm ist es hier nicht

Chantal B.

Mutter schlägt die Karibik vor

Alles begann damit, dass eine Freundin sie überzeugte, zum Kinder- und Jugendzentrum Seeberger Treff in Köln-Chorweiler zu gehen, um auch die Chance auf ein Stipendium für ein Auslandsjahr zu bekommen. Jedes Jahr werden zwei bis drei Stipendien von der Münchener Organisation „Children for a better World“ durch das Kinder- und Jugendzentrum Seeberger Treff vergeben. Die Organisation setzt sich in sozialen Brennpunkten gegen die Folgen von Kinderarmut ein und fördert mit ihren Projekten die Chancengleichheit. Chantal wurde von den Mitarbeitenden des Seeberger Treffs für geeignet gehalten und konnte an den vorbereitenden Veranstaltungen für das Auslandsjahr teilnehmen. Ihre Familie war erst skeptisch, aber unterstützte sie dann bei ihrer Entscheidung. „Meine Mutter schlug mir die Dominikanische Republik vor. Ich googelte es und als ich die traumhaften Strände sah, da wusste ich, da will ich hin“, sagt sie lachend.

„Ich bin mit Walen geschwommen, von 23 Wasserfällen runtergesprungen, den höchsten Berg der Karibik erklommen, bin nachts durch den Dschungel gewandert, habe viele gastfreundliche Menschen kennengelernt, beherrsche ihre Tänze, liebe ihr Essen und kann jetzt fließend Spanisch. Das kann mir niemand mehr nehmen“, sagt Chantal. Durch die vielen unvergesslichen Momente lernte sie sich selbst neu kennen und verstand sehr schnell, dass ihre Grenzen nicht in Chorweiler enden.

Unvergessliche Momente
Doch der Aufenthalt war mehr als nur karibische Strände. „Natürlich ist die Dominikanische Republik das Paradies mit ihren Stränden, ihrer Landschaft und Kultur. Ich habe hier aber auch viel Armut gesehen. Ich war zwar auch bei reichen Gastfamilien untergebracht, wo es an Nichts fehlte. Aber ich lebte auch in sehr einfachen Verhältnissen, wo es keine Dusche gab und ich das Wasser nur aus einer Tonne nutzen konnte. Manchmal gab es Wasser und Strom nur an 4 Stunden am Tag. Da habe ich alles schätzen gelernt, was ich bekam“, erzählt Chantal. Sie reiste mit der Organisation durch das Land, lernte die Sprache und [erlebte Abenteuer], die sie niemals vergessen wird.

 

Leiter Hüseyin Cansay und Chantal B.
Zwei bis drei Stipendien kann Hüseyin Cansay, Leiter des Seeberger Treffs in Köln-Chorweiler jährlich an Jugendliche vergeben.
Leiter Hüseyin Cansay und Chantal B.
Als er Chantal B. im Seeberger Treff kennenlernte, war ihm schnell klar, dass sie für ein Auslandsjahr in Frage kommt und unterstützte sie dabei.

Die Corona-Krise war ein Rückschlag

Als sie 2018 zurückkehrte, änderte sie alles. „Ich habe meine alten Kontakte abgebrochen und bin dann auf ein Gymnasium in die Innenstadt gewechselt“, sagt sie. Sie geht täglich zum Seeberger Treff und nutzt dort die Hausaufgabenbetreuung mit dem Angebot des Mittagstisches. Außerdem hält sie einen engen Kontakt zu den Sozialarbeitern. „Hier kommen viele nach der Schule hin. Der Leiter Hüseyin Cansay kennt ja gefühlt ganz Chorweiler“, sagt Chantal.

Die Corona-Pandemie und ihre Einschränkungen waren ein kleiner Rückschlag für sie. „Mir hat die Betreuung hier im Seeberger Treff sehr gefehlt, aber Hüseyin Cansay und sein Team haben uns dann das Hilfetelefon angeboten, wo wir uns dann bei Schwierigkeiten melden konnten. Dafür bin ich sehr dankbar“, sagt sie.

An das Homeschooling musste sie sich erst mal gewöhnen, aber es lief dann mit der Zeit doch ganz gut. Sie erzählt dann von einer Freundin, die sich ein Laptop und einen Schreibtisch mit drei Geschwistern teilen musste. „Das waren keine fairen Bedingungen für alle“, hält sie fest.

Chantal B. krempelte ihr ganzes Leben um
Für Chantal B. hat das Auslandsjahr viel in Bewegung gesetzt. Sie will jetzt mehr erreichen und arbeitet hart für ihre Ziele.

Den Horizont erweitern

Jetzt sind erst mal Ferien und sie fährt mit ihrer Familie in den Urlaub, um Energie zu tanken. Danach will sie Vollgas geben, denn es ist ihr letztes Schuljahr. „Ich möchte ein Einser-Abi machen, das ist mein Traum“, sagt sie. Nach dem Abitur wollte sie eigentlich ein Freiwilliges Soziales Jahr in Lateinamerika machen. „Ich habe das Stipendium geschenkt bekommen und darum wollte ich etwas zurückgeben“, erklärt sie. Aber durch die Corona-Einschränkungen kann sie es nicht wirklich planen. Und sie möchte Journalistik in Hamburg studieren. „Da ich mit 16 Jahren am anderen Ende der Welt zurechtgekommen bin, wird Hamburg für mich keine wirkliche Herausforderung“, sagt sie zuversichtlich.

Für Chantal hat sich der Horizont erweitert und ihr Ehrgeiz ist entfacht. „Es müsste viel mehr solcher Einrichtungen wie den Seeberger Treff geben, ich denke das würde der Jugend heute sehr helfen. Ich komme aus schwierigen Familienverhältnissen, aber hier werde ich gesehen und gehört. Es ist wichtig jungen Menschen, die nicht zur Oberschicht zählen, zu zeigen, dass sie auch was werden können.“

 

Ich komme aus schwierigen Familienverhältnissen, aber hier werde ich gesehen und gehört.

Chantal B.

Informationen zum Jugendzentrum Seeberger Treff finden Sie hier. 

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