Blog der Diakonie Michaelshoven

Besondere Menschen aus Köln erzählen besondere Geschichten

Wir wollen Einblicke in außergewöhnliche Lebenswelten schaffen und euch die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen vorstellen, die bei uns leben und arbeiten. Außerdem stellen wir euch besondere Projekte vor, die helfen, die Lebensqualität dieser Menschen zu erhöhen.

Und es gibt immer mehr Menschen in Köln, die diese Unterstützung benötigen. Umso wichtiger ist es hinzuschauen und aktiv zu werden, indem ihr die Geschichten weitererzählt oder sogar ehrenamtlich helft. Nur so können wir näher zusammenrücken! Wir wünschen euch viel Spaß auf diesen Seiten und freuen uns auf euer Feedback.

Einblick

„Gender“ – warum es eine Bereicherung ist, mehr als männlich und weiblich zu sein

gender

Bis 2018 gab es zwei Geschlechter, die im Geburtenregister eingetragen werden konnten, nämlich männlich und weiblich. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass eine dritte Geschlechtsoption für intersexuelle Menschen eingeführt wird, die weder männlich oder weiblich sind und somit unter divers eingeordnet werden. Damit wurde gerichtlich anerkannt, dass es biologischen/medizinisch mehr als zwei klar abgrenzbare Geschlechter gibt, welches unter dem englischen Begriff „Gender“ beschrieben wird. Die Gesellschaft war aufgefordert, festgefahrene Strukturen zu hinterfragen und neu zu überdenken, von der gendergerechten Sprache bis hin zu einer genderneutralen Erziehung. Auch die Diakonie Michaelshoven nahm sich des Themas an, um Menschen so zu bezeichnen, wie sie sind und damit heteronormative Strukturen zu hinterfragen, die nicht allen Menschen gerecht werden.

In einer Wohngruppe für Mädchen stellt eine jugendliche Person fest, dass sie sich nicht mehr dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlt. Für ihre weitere Entwicklung wird sie professionell auf ihrem Transformationsweg begleitet. Doch zeitgleich stellt sich die Frage, ob dieser Person der Platz in einer Mädchenwohngruppe noch zusteht. Denn Bewohner:innen in geschlechtergetrennten Gruppen sind zumeist traumatisiert aufgrund von schlimmen Erfahrungen bis hin zu Missbrauch durch das andere Geschlecht.  

Dieser Fall beschäftigte Antje Baumkemper, Vorsitzende der Gesamtmitarbeitervertretung der Diakonie Michaelshoven auch aus persönlichen Gründen. Sie lebt mit ihrer Frau in Köln, engagiert sich als Vorständin bei anyway Köln, dem queeren Jugendzentrum, ist seit 20 Jahren Mitglied im Frauenmusikclub Köln und hat gute und schlechte Erfahrungen in einer heteronormativen Gesellschaft als lesbische Frau gesammelt.

Aufbau eines Kompetenzbereichs „Gender“

Vor zwei Jahren wurde beschlossen, den Kompetenzbereich „Gender“ in der Diakonie Michaelshoven aufzubauen und Antje Baumkemper übernahm hier die Koordination. Das Interesse an dem neuen Kompetenzbereich war sehr groß. „Es gab sehr viel mehr Mitarbeitende, die in diesem Bereich arbeiten wollten, als wir dann letztendlich aufnehmen konnten“, erinnert sie sich.

Die Verantwortlichen im Kompetenzbereich einigte sich auf zwei konkrete Ziele, die umgesetzt werden sollten: die Erstellung eines Leitfadens für gendergerechte Sprache und ein Fort- und Weiterbildungsangebot, das verschiedene Bereiche und Erfahrungswerte abdeckt. Zusätzlich wurden Informationen, Literatur und Netzwerkkontakte allen Mitarbeitenden über das Intranet zur Verfügung gestellt.  

dritte Geschlecht
Das Bundesverfassungsgericht entschied 2018, dass eine dritte Geschlechtsoption für intersexuelle Menschen eingeführt wird.

Fortbildungen zum Thema „Gender“ finden großen Anklang

Aktuell gibt es in der Akademie Michaelshoven eine Fortbildung zur Vermittlung von Grundlagen zum Thema „Gender“, bei denen Begriffe und Definitionen erklärt werden, wie beispielsweise cis, trans oder auch nonbinär. „Die Fortbildung war in kürzester Zeit ausgebucht. Wir sind glücklich, dass wir hierfür eine renommierte Dozentin engagieren konnten. Meret Kummer vom Kölner Verein rubicon, einer anerkannten Beratungsstelle für LSBT*I*Q, ist bundesweit als Expertin unterwegs“, erzählt Baumkemper.

Eine weitere in Planung stehende Fortbildungsreihe richtet sich an Erzieher:innen in Kindertagesstätten und soll im kommenden Jahr stattfinden. „Ich hatte zuvor ein sehr offenes und positives Gespräch mit der Leitung unserer 16 Kitas, bei der ich das Thema geschlechtsneutrale Erziehung angesprochen habe“, erinnert sich Antje Baumkemper. Bei der Fortbildung soll es unter anderem um den Umgang mit Regenbogenfamilien gehen, aber auch um die Frage, welches Spielzeug angeboten wird. Denn eine Spielpuppe, ein Bagger oder auch Kostüme wie ein Prinzessinnenkleid müssen keinem Geschlecht zugeordnet werden und können von jedem Kind ohne Vorbehalte genutzt werden.

Für die Wohngruppen in Michaelshoven bietet Lara Ohlandt, eine Mitarbeiterin aus dem Kompetenzbereich, mehrere Workshops an, damit Fachkräfte mit dem Thema „Gender“ souverän in der Praxis umgehen können. „Es gab so viele Anfragen, dass die Mitarbeiterin freiwillig noch weitere Termine anbietet“, erzählt Baumkemper. 

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Die Fortbildung zur Vermittlung von Grundlagen zum Thema „Gender“ war schnell ausgebucht.

Die richtige Ansprache? Ein Lernprozess

Auch der Leitfaden für gendergerechte Sprache ist auf dem Weg und sollte demnächst vorliegen. Dabei gibt es aktuell auch die Diskussion, ob in digitalen Medien nicht mehr das Gendersternchen genutzt werden soll, sondern wegen der besseren Lesbarkeit der barrierefreie Doppelpunkt. „Es ist alles ein Lernprozess, und wir werden sicherlich noch einiges fehlerhaft schreiben, betiteln oder auch ansprechen. Aber wichtig ist, dass wir es hinterfragen, damit wir alle mitnehmen und dabei niemanden diskriminieren oder sogar verletzen“, sagt Antje Baumkemper. Denn letztendlich ist die Frage nach dem Geschlecht auch immer eine Frage nach der eigenen Identität. „Diese kann nur jeder Mensch für sich herausfinden, idealerweise in einer Umgebung, in der es keine Vorurteile, keine Konsequenzen zu befürchten gibt. Nur da kann sich die eigene Identität auch frei entwickeln“, sagt Antje Baumkemper.  

P.S.: Die Wohngruppe hat sich dazu entschieden, die jugendliche Trans-Person, die auf ihrem Weg zur Transformation ist, nicht aus der Gruppe auszuschließen. Das haben auch die anderen Bewohnerinnen so gewollt. Dafür wurde das Konzept erweitert, damit in Zukunft solche Fälle mitgetragen werden können.

Die eigene Identität kann sich nur in einer Umgebung frei entwickeln, in der es keine Vorurteile und Konsequenzen gibt.

Mitarbeiterin Lara Ohlandt empfiehlt folgende Links für Fachkräfte:

Geschlechtersensible Pädagogik ist ein Portal zu Geschlechterfragen für Fachkräfte aus der sozialen und pädagogischen Arbeit. Auf Facebook tauschen sich Fachkräfte zu den Themen aus. 

Trans-Kinder-Netz e.V. ist eine Seite von und für Eltern von Trans-Kindern, die auch für Bezugspädagog:innen oder andere Angehörige eine gute erste Adresse ist, um sich zu informieren und auszutauschen.

Queer Lexikon ist mein bevorzugtes Glossar zu Begriffen rund um das Thema Geschlechtsidentität. Das Queer Lexikon ist vor allem eine Anlaufstelle für Jugendliche, aber das Glossar ist vor allem auch für Fachkräfte hilfreich.

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