Einfach dufte – wie das Team Aromatherapie für Entspannung sorgt
Pfefferminz wirkt bei Kopfschmerzen, Vanille hemmt den Appetit und Grapefruit steigert die Konzentration. Schon die Ägypter wussten vor Jahrtausenden die Wirkung der Pflanzenheilkräfte für sich zu nutzen. Heute ist die Aromatherapie zwar immer noch nicht anerkannt, wird allerdings vor allem als ergänzende Therapie in verschiedenen Bereichen eingesetzt. Denn mit den ätherischen Ölen und Pflanzenauszügen lassen sich das Wohlbefinden und die Gesundheit beeinflussen. Anika Lange und Christoph Mikolaschek setzen auf die Wirkung der Pflanzenheilkräfte und bieten die Aromatherapie seit Anfang des Jahres für Menschen mit einer geistigen Behinderung in den Wohngruppen der Diakonie Michaelshoven an.
Wer an Aromatherapie denkt, verbannt sie schnell in die esoterische Schublade mit Räucherstäbchen, Magie und Hexerei. Die beiden Aromatherapeuten Anika Lange und Christoph Mikolaschek widersprechen jedoch jedem Klischee und sind von der Wirkung der Düfte überzeugt. Seit Anfang des Jahres bieten die ausgebildeten Altenpfleger die Aromatherapie den betreuten Menschen mit einer geistigen Behinderung in den Wohngruppen der Diakonie Michaelshoven oder in dem eigens dafür eingerichteten Entspannungsraum an. Und das Interesse steigt, denn die „Kunden“ sind von der Wirkung der Düfte sehr angetan.
Es ist ein ungewöhnliches Angebot, das bisher kaum bei Institutionen für betreute Menschen mit einer geistigen Behinderung auf dem Programm steht. „Die Idee entstand bei einer unserer Pflegekonferenzen. Hier tauschen wir uns über Vorschläge aus, die das Wohlbefinden unserer Bewohner in den Wohngruppen optimieren kann. Eine Kollegin berichtete von der positiven Wirkung der Aromatherapie. Anika und ich waren direkt begeistert“, sagt Christoph Mikolaschek, der gemeinsam mit seiner Kollegin Anika Lange unter anderem für die Pflegefachberatung zuständig ist.
Nach positiven Gesprächen mit den Vorgesetzten und der Bewilligung einer finanziellen Unterstützung über die Stiftung der Diakonie Michaelshoven absolvierten die beiden eine Ausbildung zu Aromatherapeuten an einem anerkannten Kölner Institut. Hier lernten sie unter anderem die Wirkung und Zusammensetzung der Heilpflanzen kennen und die effektive Anwendung der Aromatherapie unter anderem bei der Hand-, Fuß-, Kopf- oder auch Ganzkörpermassage.
Bei der Behandlung müssen wir immer darauf achten, dass die Öle akzeptiert werden, weil sie im Körper viel bewirken.
Anika Lange
Düfte wecken Erinnerungen
Mitarbeiter der Wohngruppen informieren die beiden, wenn jemand an einer Aromatherapie interessiert ist. Das ist meistens der Fall, wenn jemand unausgeglichen oder unruhig ist und ihm Entspannung gut tun würde. „Bei der Behandlung müssen wir immer darauf achten, dass die Öle akzeptiert werden, weil sie im Körper viel bewirken“, sagt Anika Lange, die meist zu den Außenwohngruppen für die Behandlungen fährt. „Deswegen ist die Biografiearbeit so wichtig, damit wir gerade bei Menschen, die nicht sprechen können, wissen, welche Erlebnisse und Traumata sie erfahren haben. Denn Düfte können gute aber auch schlechte Erinnerungen wecken“, erklärt sie.
Düfte werden sechs Wochen getestet
Bergamotte, Patchouli, Rosengeranie und Rosmarin zählen zu den Grundölen. Um sich bei den Anwendungen an die richtigen Ölen heranzutasten, beginnen die beiden in den ersten sechs Wochen, diese Düfte zu testen, um die Wirkung der Aromen festzustellen. Danach geht es mit weiteren Ölen weiter. „Orange ist beispielsweise ein wärmender Duft und wird der Mutter zugeordnet. Zedernholz steht wiederum für den Vater“, sagt Anika Lange. Aber auch hier müssen die beiden Mitarbeiter sehr behutsam vorgehen.
„Ich hatte den Fall, dass ich bei einer Behandlung Zedernholz angewendet habe, weil der Nutzer das Öl vom Duft her gerne mochte. Nach der 30-minütigen Handmassage, die eigentlich zur Entspannung dienen sollte, kam es jedoch zum Gegenteil“, erinnert sich Annika Lange. Der Bewohner sperrte sich den ganzen Tag in seinem Zimmer ein und wollte mit niemandem sprechen. „Wir fanden dann heraus, dass er seinen Vater verloren hatte. Der Duft weckte die Erinnerung und machte ihn traurig“, erinnert sie sie zurück. Zedernholzöl wird nun bei seiner Massage nicht mehr angewendet.
Orange ist beispielsweise ein wärmender Duft und wird der Mutter zugeordnet. Zedernholz steht wiederum für den Vater.
Annika Lange
Christoph Mikolaschek erinnert sich an eine ähnlich extreme Reaktion bei einer seiner Behandlungen eines Erwachsenen mit einer Autismus-Spektrum-Störung. „Der Bewohner ist ein sehr unruhiger und aktiver Mensch, der olfaktorisch ist, also an allem riechen muss und teilweise extrem auf Gerüche reagiert“, erinnert er sich zurück. Daher entschied sich Mikolaschek für Lavendelöl, welches zur Entspannung angewendet wird. „Ich habe von der Wohngruppe im Nachhinein erfahren, dass er den ganzen Tag über sehr entspannt war und immer wieder an seiner Hand gerochen hat, in die ich den Tropfen Lavendelöl einmassiert habe“, lacht er.
Keine Therapie aber Entspannung für Menschen mit einer geistigen Behinderung
Um das Entspannungsangebot auszubauen, richten die beiden gerade einen Entspannungsraum ein, in dem ihre „Kunden“ für die Zeit der Behandlung abschalten können. Hier steht ein Wasserbett, über einen Lichtprojektor werden bei Entspannungsmusik angenehme Farbverläufe an die Wand projiziert. Vorher besprechend die beiden Mitarbeiter mit den jeweiligen Teams, welcher Bewohner ein unruhiges oder auch autoagressives Verhalten aufweist. „Das ist keine Therapie. Aber die Menschen können für den Moment runterkommen und entspannen. Und sie genießen es, positive Zuwendung zu bekommen“, sagt Anika Lange.
Im Raum hängen verschiedene Gegenstände mit unterschiedlichen Oberflächen, die besonders für Menschen mit einer körperlichen Einschränkung geeignet sind.
Neben der Aromatherapie bieten die beiden auch die basale Stimulation an, die die körperliche Motorik fördern soll. Hierfür hängen im Raum verschiedene Gegenstände mit unterschiedlichen Oberflächen, die besonders für Menschen mit einer körperlichen Einschränkung geeignet sind. Außerdem haben sie verschiedene Knetmassen, flüssigen Sand, Bälle und Rasseln zur Verfügung, die für eine gelenkschonende Bewegung genutzt werden.
Ihr Wissen über die Aromatherapie und auch basale Stimulation geben die beiden an die Mitarbeiter der Wohngruppen weiter. Denn Anika Lange und Christoph Mikolaschek stoßen aufgrund der großen Nachfrage schon jetzt an ihre zeitlichen Kapazitäten. Übrigens nutzen beide die Wirkung der Duftöle auch privat. Kein Wunder, dass die beiden einfach dufte sind.
Das Team Aromatherapie ist von der Wirkung der Düfte überzeugt.
WISSENSWERTES
- Ein Tropfen Orangenöl wird bspw. aus 50 Orangen gewonnen.
- Bei der Anwendung von Ölen aus den Zitrusfrüchten sollte man direkte Sonneneinwirkung meiden, da die Gefahr besteht, dass sich die Haut verfärbt.
- Karottensamenöl und Fenchelöl straffen die Haut und Teebaumöl hilft gegen Hautunreinheiten.
- Auch wenn die Essenzen Öle heißen, müssen sie in ein Trägerfett gemischt werden. Das kann Butter, Ghee (indische Variante) oder auch ein Olivenöl sein.
- Vanille hemmt den Appetit, wenn man den Duft unter die Nase hält.
- Man ordnet Düfte verschiedenen Altersgruppen zu: Zitrusfrüchte = Kinder, Hölzer, Blumen und Zedernholz = Erwachsene, Patchouli = Senioren
- Die vier Grundöle sind Bergamotte, Rosengeranie, Patchouli und Rosmarin. Diese werden bei jedem Menschen erst mal getestet, um die Reaktion auf den Duft festzustellen.
- Tags:
- aromatherapie
- düfte
- entspannung
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