Blog der Diakonie Michaelshoven

Besondere Menschen aus Köln erzählen besondere Geschichten

Wir wollen Einblicke in außergewöhnliche Lebenswelten schaffen und euch die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen vorstellen, die bei uns leben und arbeiten. Außerdem stellen wir euch besondere Projekte vor, die helfen, die Lebensqualität dieser Menschen zu erhöhen.

Und es gibt immer mehr Menschen in Köln, die diese Unterstützung benötigen. Umso wichtiger ist es hinzuschauen und aktiv zu werden, indem ihr die Geschichten weitererzählt oder sogar ehrenamtlich helft. Nur so können wir näher zusammenrücken! Wir wünschen euch viel Spaß auf diesen Seiten und freuen uns auf euer Feedback.

Interview

Lasst euch nicht einschüchtern! - Joel Dralus über Engagement in unsicheren Zeiten

Joel Dralus erzählt wie er als junger Mensch auch in unsicheren Zeiten Einfluss nehmen kann, ohne sich von Ängsten lähmen zu lassen. Der 22-Jährige spricht über die Bedeutung von offenen Gesprächen und Engagement. Ein Aufruf, sich nicht von der Welt oder äußeren Herausforderungen einschüchtern zu lassen, sondern aktiv und in einem realistischen Rahmen Veränderungen zu bewirken.

Erzähl doch ein bisschen über dich: Wer bist du, und was machst du gerade?

Joel: Ich bin Joel Dralus, 22 Jahre alt, mache gerade mein Abitur an der Anna-Freud-Schule in Köln und wohne im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Hürth, einem Internat für Jugendliche mit körperlichen oder anderen Einschränkungen. Ursprünglich stamme ich aus Hagen im Ruhrgebiet, wo ich eine Förderschule besucht habe. Nach meinem Förderschulabschluss war für mich klar, dass ich nicht in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen arbeiten wollte, da ich höhere Ambitionen hatte. Ich wollte für meine Zukunft alle Perspektiven offenhalten und nicht allein auf meine Behinderung reduziert werden. Deshalb entschied ich mich, die mittlere Reife mit Qualifikation zu absolvieren. Irgendwann entdeckte ich mein Interesse für Rechtswissenschaften, was mich zusätzlich darin bestärkte, die allgemeine Hochschulreife anzustreben. Mein Ziel ist es, nach dem Abitur Jura in Köln zu studieren.

Wir wollen ja über Engagement in unsicheren Zeiten sprechen, warst du schon immer engagiert?

Joel: Das kam mit der Zeit. In meinem alten Internat war ich oft Klassensprecher und Gruppensprecher. Aber in Köln habe ich durch „Jugend debattiert“ und Empfehlungen von Lehrer*innen gemerkt, dass ich mich stärker einbringen kann. Vor allem der Austausch mit anderen und die Arbeit an gesellschaftlich relevanten Themen motivieren mich sehr.

Du bist ja bspw. beim SV Bildungswerk ehrenamtlich tätig – was macht ihr da genau?

Joel: Wir fördern Jugendpartizipation, bieten Workshops an Schulen an und schulen junge Menschen, wie sie ihre Schülervertretungen stärken können. Wir sind ein bundesweites Netzwerk mit über 100 Mitgliedern. Der Fokus liegt darauf, Projekte nachhaltig zu gestalten, damit die Schulen selbstständig weiterarbeiten können.

Seit letztem Jahr bist du Mitglied einer Partei. Wie kam es dazu?

Ich hatte die Gelegenheit Rolf Mützenich, Bundestagsfraktionsvorsitzender der SPD persönlich zu treffen. Für mich war das erst mal unglaublich – einer der großen Politiker kommt nach Hürth, und ich, nicht mal Mitglied, war unsicher, ob ich überhaupt kommen darf. Aber alle sagten: "Klar, komm einfach vorbei." Ich konnte sogar kurz mit Rolf sprechen und habe ihn auf den Pflegenotstand angesprochen. Mich hat beeindruckt, dass er keine leeren Floskeln benutzt hat, sondern ehrlich meinte: "Das Problem gibt es. Es hängt von vielen Faktoren ab, und da kann ich dir jetzt keine einfache Lösung aus dem Stegreif geben." Das war für mich beeindruckend, weil es ehrlich und nicht populistisch war.

Und seitdem hat sich viel entwickelt, oder?

Joel: Ja, total. Ich bin jetzt im Ortsvorstand der SPD Hürth und Co-Vorsitzender der Jusos Rhein-Erft, der Jugendorganisation.

Lasst euch nicht einschüchtern – weder von der Welt mit all ihren Herausforderungen noch von Menschen, die scheinbar schon „alles erreicht“ haben. Erfolg kommt nicht über Nacht, und jeder hat seine eigene Geschwindigkeit und seine eigenen Ressourcen.

Joel Dralus

Welche Themen treiben Dich persönlich besonders an?

Joel: Für mich sind Inklusion und Bildung zentrale Themen. Das beschäftigt mich sehr, auch wenn man sich natürlich nicht auf allen Feldern gleichzeitig engagieren kann. Trotzdem sind das die Bereiche, in denen ich besonders aktiv sein möchte.

Wie gehst du mit den großen Herausforderungen unserer Zeit um, die oft Ohnmacht hervorrufen können?

Joel: Ich versuche, optimistisch zu bleiben, weil alles andere keinen Sinn macht. Es wäre, wie wenn ich mich hinter meiner Behinderung verstecke und sage: Ich sitze im Rollstuhl, also gebe ich auf. Manche Dinge kann ich nicht ändern, aber ich kann meinen Einfluss nutzen, um Anpassungen und Kompromisse zu finden. Das gilt für mein persönliches Leben genauso wie für die Politik.

Was bedeutet das für dich konkret?

Joel: Ich weiß, dass ich als Einzelner nicht die Welt verändern kann. Aber ich kann einen Beitrag leisten – sei es durch Engagement in einer Partei, in der Schülervertretung oder auf andere Weise. Es macht Mut, zu wissen, dass ich Verantwortung übernehme, auch wenn manches außerhalb meines Einflusses liegt. Wichtig ist, nicht in Angst oder Resignation zu verfallen, sondern aktiv zu bleiben. Das erfordert, einen schmalen Grat zu gehen: Einerseits zu akzeptieren, dass nicht alles in meiner Hand liegt, andererseits die Verantwortung nicht einfach abzuschieben.

Werden junge Menschen Deiner Meinung genug gehört?

Joel: Das ist schwer zu beantworten. Nicht jeder hat die Fähigkeit oder den Wunsch, sich sichtbar zu machen. Das ist die Aufgabe von Politik und Institutionen: Räume schaffen, in denen junge Menschen gehört werden können. Bürgersprechstunden, gezielte Ansprache über Social Media – solche Formate sind wichtig. Besonders Schulen spielen eine entscheidende Rolle. Kommunikation, Kooperation und Konfliktbewältigung sind genauso wichtig wie Mathe oder Deutsch. Schule sollte ein Ort der Befähigung sein, nicht einer, der Selbstzweifel schürt. Deshalb sehe ich die Schulen in der Verantwortung, Räume zu schaffen, in denen Schüler*innen individuell gefördert werden und auf die Welt da draußen wirklich vorbereitet werden, damit meine ich keine Kurvendiskussionen. Die Schüler*innen müssen merken, dass sie und ihre Wünsche wirklich von Bedeutung sind.

Du sagtest ja mal, die Plattformen sollten nicht den Rechten überlassen werden.

Joel: Genau. Es gibt die Meinung, dass es auf Plattformen wie TikTok keinen Sinn macht, weil die Inhalte oft zu oberflächlich sind. Aber das halte ich für gefährlich. Wenn wir die Plattformen kampflos den Rechten überlassen, verlieren wir eine wichtige Möglichkeit, Jugendliche zu erreichen. Man muss kreative Formate finden, die die Aufmerksamkeit fesseln, und dann weiterführende Inhalte anbieten, die in die Tiefe gehen.

Besorgnis allein bringt nichts. Umso wichtiger ist es in den Dialog zu treten. Angst und Ohnmacht nützen nur den rechten Parteien. Es wäre paradox, nichts zu tun, weil man denkt, alles sei verloren – das wäre für sie ein Geschenk. Ich glaube, was gegen Angst hilft, ist Engagement. Selbst kleine Schritte – wie eine Diskussion im Freundeskreis – können helfen. Wenn man merkt, dass man Einfluss nehmen kann, auch im Kleinen, wird die Angst automatisch geringer.

Was möchtest du jungen Menschen mitgeben, die angesichts der aktuellen Lage besorgt sind und nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen?

Joel: Mein erster Tipp: Redet mit anderen. Wenn ich Sorgen oder Ängste habe, spreche ich mit jemandem darüber. Gerade bei Angst ist es wichtig, objektiver zu werden und andere Perspektiven zu hören. Gemeinsam mit jemandem darüber zu reden, der vielleicht ähnliche Ängste hat, kann unglaublich stärkend sein.

Dann: Holt euch Unterstützung. Das kann in der Schule sein, aber auch in Form von psychologischer Hilfe. Mentale Gesundheit sollte kein Tabuthema sein. Niemand sollte sich dafür schämen, Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Und: Überlegt, was ihr an eurer Situation ändern könnt. Angst entsteht oft aus dem Gefühl der Machtlosigkeit. Sich zu engagieren, kann dagegen helfen. Das muss nicht unbedingt parteipolitisch sein – vielleicht interessiert euch Klimaschutz, dann schaut euch Bewegungen wie Fridays for Future an. Wenn euch Bildung interessiert, dann schaut bei der "Bildungswende Jetzt" vorbei. Wenn euch das Thema Armut am Herzen liegt, könnt ihr auch die Tafel unterstützen. Vernetzung ist entscheidend. Mit Gleichgesinnten fühlt man sich weniger allein, und zusammen kann man viel bewegen.

Zum Abschluss: Gibt es noch eine Botschaft, die dir besonders am Herzen liegt?

Joel: Lasst euch nicht einschüchtern – weder von der Welt mit all ihren Herausforderungen noch von Menschen, die scheinbar schon „alles erreicht“ haben. Erfolg kommt nicht über Nacht, und jeder hat seine eigene Geschwindigkeit und seine eigenen Ressourcen.

Seid euch bewusst, dass eure Stimme zählt, und habt keine Angst, euch für euch selbst oder andere einzusetzen – in einem Umfang, der für euch machbar ist. Manche können zehn Stunden investieren, andere nur fünf – beides ist vollkommen in Ordnung. Wichtig ist, dass ihr euch nicht lähmen lasst, sondern nach den Möglichkeiten sucht, die euch Kraft geben.

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