So funktioniert die Reittherapie
Wer den jungen Teilnehmer*innen des Therapeutischen Reitens im idyllischen Park der Diakonie Michaelshoven begegnet, kann beobachten, wie stolz, glücklich und voller Anmut sie auf den Pferden sitzen. Manchmal sieht man auch ein wenig Anspannung auf ihren Gesichtern, wenn sie noch nicht ganz so viel Erfahrung haben. Kein Wunder, denn auf einem Pferd fühlt man sich alleine durch die Größe des Tieres erhaben, und es erfordert schon viel Mut, sich auf einen Pferderücken zu setzen. Alex M. war 9 Jahre alt, als er mit dem Therapeutischen Reiten in Michaelshoven begann. Heute hält er nicht nur beim Reiten souverän die Zügel in der Hand, sondern hat auch sein noch junges Leben viel besser im Griff.
Mit neun Jahren kam Alex zu seiner ersten Therapeutischen Reitstunde nach Michaelshoven. Schon mit zwei Jahren musste er zur Therapie, weil er Unterstützung bei seiner Entwicklung benötigte. Bei ihm wurde eine Autismus-Spektrum-Störung, ADHS und dadurch bedingt eine Konzentrationsschwäche festgestellt. Durch das Therapeutische Reiten hat Alex bis heute viel gelernt. Plötzlich war er motiviert und freute sich auf etwas, zuvor hatte ihn nichts wirklich interessiert. Der Umgang mit den Pferden sensibilisierte ihn für sein Gegenüber. Und er fand eine innere Ruhe, wie er sie selten zuvor verspürt hatte. Mit der Zeit fühlte er sich nicht nur im Umgang mit den Pferden sicher, sondern wurde auch immer selbstbewusster.
Alex, seit wann reitest Du?
Ich reite schon seit ungefähr zweieinhalb Jahren. Ich bin auch schon richtig gut geworden und ich fühle mich hier sehr wohl.
Was gefällt Dir besonders am Reiten?
Die Pferde. Weil man muss sie verstehen können und die Pferde können auch mich verstehen.
Hattest Du am Anfang Angst, auf so einem großen Pferd zu sitzen?
Ich hatte nie Angst davor, zu reiten und auch nicht vor den Pferden.
Und was hast Du hier in einer Reitstunde gemacht?
Also vor der Corona-Zeit würde ich mein Pferd erst mal pflegen, damit es zum Reiten bereit ist, Sattel auflegen und dann einfach losreiten.
Welches Pferd magst Du denn besonders?
Ich mag die Bonita, auf der ich gerade sitze. Sie ist ein so schönes und liebes Pferd.
Warum Therapeutisches Reiten?
Seit 1990 bietet die Diakonie Michaelshoven das Therapeutische Reiten an und ist zertifiziertes Mitglied im Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten. Rund 80 Nutzer*innen besuchen jede Woche den Therapeutischen Reitbereich, der von drei ausgebildeten Reitpädagoginnen, einer Pferdewirtin und einer FSJlerin betreut wird. Und auch ehrenamtliche Mitarbeiter*innen engagieren sich hier regelmäßig.
Insgesamt sechs ausgebildete Therapiepferde leben und arbeiten auf dem Reiterhof Michaelshoven. Das Therapieangebot nutzen Kinder, Jugendliche sowie Menschen mit einer geistigen Behinderung, die überwiegend in der Diakonie Michaelshoven betreut werden. Darüber hinaus wird das Therapeutische Reiten auch für Familien und Kinder mit Hilfebedarf angeboten, die nicht an die Diakonie angebunden sind.
Reitpädagogin und Teamleiterin Lisa Frost erklärt uns, warum das Therapeutische Reiten gerade bei Kindern so effizient und wirkungsvoll eingesetzt werden kann:
Akzeptanz erleben.
"Pferde nehmen die Kinder so an, wie sie sind. Ohne Bewertungen, Erwartungen oder Bedingungen. Pferde reagieren authentisch, wertfrei und nonverbal - die Körpersprache ist entscheidend. Die Erfahrung, so angenommen zu werden, wie man ist, stärkt den Glauben an sich selbst. Ein wichtiger Schritt gerade für Kinder mit traumatischen Lebenserfahrungen: sie beginnen sich selbst und anderen wieder zu vertrauen."
Das Pferd als Spiegel
"Das Pferd spiegelt das Verhalten des Kindes und motiviert so zur Selbstreflexion. Im Umgang mit dem Pferde lernt das Kind mit Emotionen angemessen umzugehen und erprobt sich in neuen Handlungen."
Beziehung stärken
"Im geschützten Rahmen kann das Kind eine beständige Beziehung zum Pferd und zur Reitpädagogin aufbauen. Das führt zu einer stabilisierenden Bindungserfahrung und stärkt das Vertrauen zum Gegenüber. Sicherheit, Konstanz und Stabilität in einer Beziehung zu erleben, bedeutet für bindungsverunsicherte Kinder eine Qualität von Beziehung, die sie stärkt und stabilisiert - und die sie oftmals in ihrer Biografie bisher nicht erleben durften."
Therapie
"Der Umgang mit Pferden wird nicht als Therapie empfunden, das Pferd wird zum „Freund“, zu dem man Vertrauen hat und dem man seine Sorgen und Geheimnisse ins Ohr flüstert. Gleichzeitig fordert das Pferd, dass es versorgt wird und damit Verantwortung übernommen wird. Ich erlebe immer wieder, wie gerne und fürsorglich Kinder mit den Pferden umgehen und wie positiv sich das auf ihr Selbstbewusstsein auswirkt."
Die Pferde – unsere Co-Therapeuten
"Gemeinsam mit den Fachkräften kann der vierbeinige Kollege viel bewirken. Für ihre wichtige therapeutische Aufgabe werden sie von uns intensiv geschult und ausgebildet. Unsere Therapiepferde sind freundlich, zugewandt und geduldig und geben gleichzeitig eine klare Rückmeldung. Eine artgerechte Haltung ist die Grundlage für motivierte und gesunde Therapiepferde. Sie genießen bis in den Spätsommer den Weidegang in der Herde und sind auch im Winter auf ihren Paddocks immer an der frischen Luft und in Bewegung. Ausgleichstraining, Ausritte ins Gelände, und feste Pausenzeiten sorgen für Zufriedenheit und Lebensqualität unserer vierbeinigen Kollegen."
Der therapeutische Einsatz des Pferdes ist eine heilpädagogische Methode zur ganzheitlichen und individuellen Förderung. Wir setzen das Pferd als Motivator ein, um ressourcenorientiert und an den Bedürfnissen des Einzelnen ansetzend Entwicklungsprozesse anzuregen und zu begleiten.
Lisa Frost
Wie Du das Therapeutische Reiten unterstützen kannst
Die Therapiestunden werden hauptsächlich durch Spenden finanziert und wir freuen uns daher über jede Unterstützung. So kannst Du mit Deiner Geldspende die Reitstunden für traumatisierte Kinder ermöglichen.
Eine andere Möglichkeit ist eine Pferde-Patenschaft. So werden große Teile der anfallenden Haltungskosten für die Therapiepferde übernommen und dadurch die Reittherapie auf sichere Beine gestellt.
"Ich unterstütze aus tiefer Überzeugung die Arbeit im Reitbereich der Diakonie Michaelshoven mit meiner Patenschaft für Monsun. Er macht dort einen tollen Job als Hilfe für ganz verschiedene Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Die Reitpädagoginnen vor Ort schaffen kleine und ganz große Fortschritte bei den Hilfe suchenden Menschen. Dabei sorgen sie aber auch professionell und liebevoll für ihre Pferde."
Patin von Monsun
Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.
0 Kommentare