Blog der Diakonie Michaelshoven

Besondere Menschen aus Köln erzählen besondere Geschichten

Wir wollen Einblicke in außergewöhnliche Lebenswelten schaffen und euch die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen vorstellen, die bei uns leben und arbeiten. Außerdem stellen wir euch besondere Projekte vor, die helfen, die Lebensqualität dieser Menschen zu erhöhen.

Und es gibt immer mehr Menschen in Köln, die diese Unterstützung benötigen. Umso wichtiger ist es hinzuschauen und aktiv zu werden, indem ihr die Geschichten weitererzählt oder sogar ehrenamtlich helft. Nur so können wir näher zusammenrücken! Wir wünschen euch viel Spaß auf diesen Seiten und freuen uns auf euer Feedback.

Interview

Hauptsache in Bewegung bleiben - Ein Interview mit Sylvia Arndt

Sylvia Arndt Die Sozialen Hilfen Köln

Veränderungen und Weiterentwicklung waren für Sylvia Arndt schon immer wichtig. Deshalb ging  sie davon aus, dass sie ihren ersten Job in Michaelshoven fünf Jahre macht und dann weiterzieht.  Doch daraus wurden dann mehrere Jahrzehnte, in denen die gelernte Sozialarbeiterin ein ganzes Hilfesystem mit aufgebaut hat, verschiedene Positionen einnahm und vor allem immer in Bewegung geblieben ist. Sylvia Arndt geht an ihrem 33. Dienstjubiläum zugleich in den Ruhestand und blickt auf eine bewegte Zeit zurück.

Wie kamen Sie zur Diakonie Michaelshoven?

Ich war nach dem Studium fünf Jahre in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit tätig, das hat mir auch sehr viel Spaß gemacht. Dort hatte ich mich auf die Mädchenarbeit spezialisiert und Mädchengruppen betreut. Und dann fand ich 1988 die Stellenausschreibung für ein Frauenwohnheim, bei der eine Sozialarbeiterin für eine Wohngruppe gesucht wurde. Das hat gepasst und ich habe dann im Elisabeth-Fry-Haus (EFH) angefangen zu arbeiten.

Hätten Sie gedacht, dass Sie 33 Jahre für das Unternehmen tätig sein würden?

Nein, ich dachte, ich werde so fünf Jahre in Michaelshoven bleiben und dann weiterziehen. Es war mir immer schon wichtig, dass ich mich beruflich weiterentwickeln kann. Ich bin in Michaelshoven allerdings hängengeblieben. Denn in so einem großen Unternehmen haben die Veränderungen innerhalb der Diakonie Michaelshoven stets stattgefunden und ich konnte mich stetig weiterentwickeln. Und das habe ich hier immer geschätzt. Sei es, dass ich eine andere Position eingenommen oder weitere spannende Aufgabenfelder verantwortet und Projekte entwickelt habe. Und darum gab es in den 33 Jahren keinen Grund, das Unternehmen zu wechseln.

Wie sah Ihr erstes Büro im Frauenwohnheim aus?

Ein Schreibtisch, eine Schreibmaschine und ein Festnetztelefon. Das haben wir uns zu dritt in einem kleinen Büro geteilt. Allerdings waren wir auch die meiste Zeit in unseren Frauenwohngruppen. Aber die Schreibmaschine war elektrisch, das war zu damaligen Zeiten sehr modern. Ich kann mich erinnern, wie dann die ersten Faxe verschickt wurden und ich nicht glauben konnte, dass die wirklich bei jemandem ankommen. Da hat sich also sehr viel entwickelt.

Ich bin in Michaelshoven allerdings hängengeblieben. Denn in so einem großen Unternehmen haben die Veränderungen innerhalb der Diakonie Michaelshoven stets stattgefunden und ich konnte mich stetig weiterentwickeln.

Sylvia Arndt
Sylvia Arndt im Elisabeth-Fry-Haus
1988 begann Sylvia Arndt als Sozialarbeiterin für eine Wohngruppe im Elisabeth-Fry-Haus.
Sylvia Arndt im Elisabeth-Fry-Haus
Ein Schreibtisch, eine Schreibmaschine und ein Festnetztelefon ... so sah die Ausstattung damals aus.

Wie ging es für Sie nach dem ersten Job im EFH weiter?

In dieser Zeit entstanden nach und nach dann weitere Unterstützungsangebote, wie z.B. eine Notschlafstelle für Obdachlose, eine Wohngruppe für Mütter mit Kindern und die Frauenberatungsstelle „Der Wendepunkt“, die sich zum heutigen Gewaltschutzzentrum entwickelt hat. Auch hier war das EFH mit seiner Notaufnahme rund um die Uhr der Ausgangspunkt. Häufig riefen Frauen in Not, mangels anderer Möglichkeiten, abends und in der Nacht an, um sich beraten zu lassen. Aber ein solches Beratungsangebot konnten unsere Nachtwachen nicht leisten; es wurde klar, dass der Bedarf an Beratung für Frauen, die häusliche Gewalt erleben, hoch ist.

Heute ist der Wendepunkt mehr als nur eine Beratungsstelle und umfasst viele weitere Projekte.  2009 übernahm ich dann die Bereichsleitung „Die Soziale Hilfen Köln“ und ab 2011 die Geschäftsbereichsleitung mit dem übergreifendem Fachschwerpunkt Sozialpsychiatrie, da wir mittlerweile auch einen Wohnbereich speziell für psychisch kranke Frauen anboten, sowie das Ambulant Betreute Wohnen für psychisch kranke Menschen.

Eine weitere große Aufgabe haben wir zwischen 2015 und 2019 mit unseren zwei großen Flüchtlingsunterkünften übernommen, in Spitzenzeiten wurde dort insgesamt bis zu 800 geflüchtete Menschen betreut. In dieser Zeit hatte ich einige schlaflose Nächte, da ich große Sorge vor Anschlägen auf die Unterkünfte oder dem Ausbruch von ansteckenden Krankheiten hatte.  Ich bin sehr froh, dass es nicht dazu kam. Heute betreuen wir weiterhin zwei Flüchtlingseinrichtungen, in denen überwiegend Familien in separaten Wohnungen leben, unter deutlich besseren Bedingungen als in den vorherigen Massenunterkünften.

Das sind die großen Entwicklungen, die ich miterlebt und auch mitgestalten konnte. Und es wird auch immer wieder was Neues dazukommen, wie auch zuletzt der Ausbau unseres Streetworks für Obdachlose oder eine Notunterkunft für Familien. Ich hatte in den ganzen Jahrzehnten die Möglichkeit den Aufbau eines ganzen Hilfesystems begleiten und mitgestalten zu können.

In dieser Zeit hatte ich einige schlaflose Nächte, da ich große Sorge vor Anschlägen auf die Unterkünfte oder dem Ausbruch von ansteckenden Krankheiten hatte.

Sylvia Arndt
Sylvia ARndt mit Marina Walch
Für Sylvia Arndt war der rege Austausch mit den Kolleginnen wichtig, so wie hier mit Marina Walch.
Workshop in Michaelshoven
Auch gemeinsame Workshops mit den Kolleginnen dienten dazu, Angebote weiterzuentwickeln und im Austausch zu bleiben.

Was wird Ihnen besonders in Erinnerung bleiben?

Für mich war es sehr spannend und bewegend, ergänzend zum EFH ein ineinandergreifendes Unterstützungssystem mitentwickeln zu können. Unter Herrn Gottwald als Geschäftsführer gewann die Integration in Arbeit an Bedeutung und ergänzte das bestehende Angebot. Danach wechselte unser Bereich zum Teil in einen neuen Geschäftsbereich zu Herrn Schmidt als Geschäftsführer. Ich hatte zunächst die Befürchtung, dass wir in so einem großen Bereich neben Kinder-und Familienhilfe und Kitas „untergehen“ würden. Dies traf jedoch nicht zu, Frau Hahmann, Geschäftsbereichsleiterin für die Wohnhilfen Oberberg und ich für die Sozialen Hilfen Köln konnten mit großer Unterstützung und Rückendeckung von Herrn Schmidt und der gesamten Geschäftsstelle sehr selbstständig unsere Bereiche weiterentwickeln.   In Erinnerung bleiben werden mir auch die regelmäßigen Neu-und Umstrukturierungen innerhalb des Unternehmens, z.B. von der Zentralisierung hin zur Dezentralisierung und dann auch wieder zurück. In 33 Jahren wiederholen sich solche Abläufe dann doch.

Was werden Sie vermissen?

Meine Kolleginnen und Kollegen! Das ist mir schon deutlich geworden, als ich das EFH nach vielen Jahren verlassen habe, dort war ich ja in unterschiedlichen Positionen tätig. Aber als ich dann endgültig auf den Campus wechselte, fehlte mir der direkte Kontakt zu ihnen. Das wird sicherlich nun wieder so sein.

Aber auch all die Begegnungen mit den Menschen, die wir unterstützen konnten, werde ich vermissen. Jede/r Einzelne trägt eine Geschichte, die oft traurig war. Aber wenn sie dann aus einem Tiefpunkt in ihrem Leben eine tolle Entwicklung machen, dann bin ich immer wieder fasziniert. Das kann man in keinem Buch oder Film wiedergeben.

Was wünschen Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen?

Ich wünsche ihnen, gerade in der aktuellen Umstrukturierungsphase, dass die Angebote, die über viele Jahre gewachsen sind, erhalten bleiben und sich bedarfsgerecht weiterentwickeln können. Ich wünsche ihnen, dass die jeweils spezifischen Profile der Angebote erkennbar bleiben, z.B. dass frauenspezifische Angebote weiterhin ein „Markenzeichen“ für den Bereich bleiben. Unsere Angebote leben auch durch die Personen, die sie vertreten und ihnen ein Gesicht geben, z.B.  Frau Walch für das Thema Gewaltschutz und Flüchtlingshilfe oder Frau Michalke als Leiterin im EFH… aber auch die Kollegin in der Notschlafstelle oder der Mitarbeiter in der Flüchtlingsunterkunft oder die Streetworkerin  auf der Straße, mit ihrer jeweils eigenen Persönlichkeit,  Individualität und Authentizität ist meiner Erfahrung nach in der Arbeit mit Menschen in existenziellen  Notlagen besonders wichtig.

Und ich wünsche Frau Hahmann als neue Geschäftsführerin viel Glück. Sie übernimmt einen spannenden Bereich mit hochengagierten und tollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Jede/r Einzelne trägt eine Geschichte, die oft traurig war. Aber wenn sie dann aus einem Tiefpunkt in ihrem Leben eine tolle Entwicklung machen, dann bin ich immer wieder fasziniert.

Sylvia Arndt
Karneval in Michaelshoven
Karneval gehört zu Köln und somit auch zu Michaelshoven, wo viel gefeiert wurde.
Sylvia ARndt und Susanne Hahmann
Wie auch hier gemeinsam mit der Kollegin Susanne Hahmann.

Wie planen Sie Ihren nächsten Lebensabschnitt?

Aufgrund der Corona-Einschränkungen habe ich viel von zuhause gearbeitet, und dadurch ist es für mich ein idealer Einstieg in den Ruhestand – um nicht zu sagen, ein sanfter Ausstieg.

Dann freue ich mich auf eine selbstbestimmte Zeit (lacht). Und sobald es möglich ist, wollen mein Mann und ich für ein paar Monate lossegeln. Das ist unser größer Wunsch. 

Sylvia ARndt mit Kolleginnen
Wir wünschen Sylvia Arndt alles Gute und hoffen, sie auf einer der nächsten stattfindenden Feiern wiederzusehen!

Arbeiten am Limit - ein Interview der Kölnischen Rundschau mit Sylvia Arndt

Ende 2012 traf Bernd Imgrund für das "Rundschau-Gespräch"  im Elisabeth-Fry-Haus auf Sylvia Arndt. Ein starkes Interview, bei dem die Beweggründe und die Haltung von Sylvia Arndt nachzulesen sind.

Danke an die Kölnische Rundschau, die das Interview online gestellt hat. Hier geht es zum Interview.  

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