Blog der Diakonie Michaelshoven

Besondere Menschen aus Köln erzählen besondere Geschichten

Wir wollen Einblicke in außergewöhnliche Lebenswelten schaffen und euch die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen vorstellen, die bei uns leben und arbeiten. Außerdem stellen wir euch besondere Projekte vor, die helfen, die Lebensqualität dieser Menschen zu erhöhen.

Und es gibt immer mehr Menschen in Köln, die diese Unterstützung benötigen. Umso wichtiger ist es hinzuschauen und aktiv zu werden, indem ihr die Geschichten weitererzählt oder sogar ehrenamtlich helft. Nur so können wir näher zusammenrücken! Wir wünschen euch viel Spaß auf diesen Seiten und freuen uns auf euer Feedback.

Einblick

Wieder am Arbeitsleben teilnehmen

Porträt von Norma Brauer-Welland an ihrem Arbeitsplatz

Für viele von uns ist Arbeit ein essenzieller Teil des Lebens. Sie sichert unseren Lebensunterhalt, gibt uns das Gefühle, gebraucht zu werden, sie schafft Identität und gesellschaftliche Teilhabe. Die UN-Behindertenrechtskonvention fordert in Artikel 27, dass auch Menschen mit einer Behinderung das Recht haben, ihren Lebensunterhalt durch eine frei gewählte Arbeit zu verdienen – gleichberechtigt mit allen anderen Arbeitnehmern. Dies trifft auch auf alle Menschen zu, die während einer Beschäftigung eine Behinderung erworben haben. Oftmals können sie fortan nicht mehr ihren ursprünglichen Beruf ausüben.

Auch Norma Brauer-Welland war vor ein paar Jahren in der Situation, dass sie sich beruflich komplett neu orientieren musste. Eine Umschulung am Berufsförderungswerk Köln (BFW) eröffnete ihr eine neue berufliche Perspektive. Die 50-Jährige ist eine Kämpferin. Für sich und für andere. „Aufgeben ist keine Option für mich“, so die Monheimerin. „Irgendetwas geht immer!“ Diese Haltung half ihr auch in einer für sie schweren Zeit. „Ich war immer im sozialen Bereich tätig und habe meine Arbeit geliebt!“, berichtet sie. Nach einer Ausbildung zur Krankenschwester und fünf Jahren in der Krankenpflege absolvierte sie eine weitere Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin. „Von 1997 bis 2011 habe ich in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung gearbeitet. Für die Bewohner habe ich alles gegeben!“, erzählt Norma Brauer-Welland.

Aufgeben ist keine Option für mich. Irgendetwas geht immer!

Norma Brauer-Welland
Norma Brauer-Welland öffnet eine Schrankschublade
Norma Brauer-Welland im Sekretariat

Zu großer Druck

Doch der Beruf setzte ihr zunehmend zu, sie fühlte sich immer schlechter und ausgelaugter. Bis es irgendwann nicht mehr ging und die Ärzte u.a. Burn-out und eine Depressionen bei ihr diagnostizierten. Und sie für längere Zeit krankschrieben. „Das hat sich rückblickend vermutlich über Jahre hinweg entwickelt“, so die 50-Jährige. „Die Arbeit war emotional sehr belastend. Und die Arbeitsbelastung nahm immer weiter zu. Hinzu kam der wirtschaftliche Druck, es blieb immer weniger Zeit für die Bewohner. Auch die Wechseldienste und das häufige, kurzfristige Einspringen zehrten arg an meinen Kräften“, erinnert sie sich. Noch schlimmer wurde die Situation, als Kollegen begannen, sie zu mobben.

Die harte Erkenntnis, nicht mehr im alten Job arbeiten zu können

„Dass mir alles allmählich zu viel wurde, das konnte und wollte ich mir jedoch lange Zeit nicht eingestehen“, so Norma Brauer-Welland. Ihre Ärzte machten ihr am Ende bewusst, dass es so nicht mehr weitergehen konnte. Die Erkenntnis, nicht mehr im sozialen Bereich arbeiten zu können, war anfangs ein Schock für sie. Doch sie wollte unbedingt wieder arbeiten gehen. Eine Umschulung am Berufsförderungswerk Köln (BFW) in Michaelshoven ermöglichte ihr dies.

Dass mir alles allmählich zu viel wurde, das konnte und wollte ich mir jedoch lange Zeit nicht eingestehen.

Norma Brauer-Welland

Gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsmarkt

Am BFW können Menschen, die nach einer körperlichen oder seelischen Erkrankung oder infolge eines Unfalls ihre bisherige Arbeit nicht mehr ausüben können, durch eine Umschulung eine neue berufliche Perspektive entwickeln. Dadurch soll Menschen mit einer Behinderung, zu der laut UN-Behindertenrechtskonvention auch eine Depression zählt, oder einer drohenden Behinderung eine gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben ermöglicht werden. „Bei Frau Brauer-Welland zeigte sich, dass in Hinblick auf unsere rund 40 Ausbildungsberufe in ihrem Fall die Umschulung zur Industriekauffrau am Besten passte“, erläutert BFW-Mitarbeiterin Elke Boucault. Norma Brauer-Welland war anfangs noch recht skeptisch. „Ich hätte mir damals nicht vorstellen können, in einem Bürojob zu arbeiten“, erinnert sie sich lachend zurück.

Individuelle Unterstützung für Menschen mit Behinderung

Nach einem dreimonatigen Vorbereitungskurs begann dann im Januar 2013 ihre zweijährige Umschulung. „Ich habe mich während der Ausbildung sehr wohl- und aufgehoben gefühlt und konnte mir, wenn nötig, jederzeit Unterstützung holen“, sagt sie. „Ich finde, das zeichnet unser Berufsförderungswerk auch aus“, erläutert BFW-Mitarbeiter Herbert Reitinger, „dass wir neben der fachlich fundierten Ausbildung auch sogenannte ‚Besondere Hilfen‘ anbieten, bei denen wir auf die individuelle Ausprägung der Einschränkung des jeweiligen Teilnehmenden eingehen.“ Die Umschüler erhalten während ihrer Ausbildung medizinische Betreuung, psychologische Beratung und Therapie sowie Unterstützung bei vielen weiteren Themen.

Mehr Selbstbestimmung als früher

„Jeder wird bei uns individuell gefördert, damit er oder sie am Ende wieder am Arbeitsleben teilnehmen kann“, bestätigt auch BFW-Mitarbeiterin Elke Boucault. Die Mitarbeiter handeln dabei nicht für die Teilnehmenden, sondern mit ihnen: „Die Umschüler werden heute viel stärker eigenverantwortlich mit eingebunden“, erläutert Herbert Reitinger. „Unsere Mitarbeiter handeln nicht für die Teilnehmenden, sondern mit ihnen.“ Dies entspricht auch der Forderung der UN-Behindertenrechtskonvention nach stärkerer Selbstbestimmung.

Spannender neuer Job

Norma Brauer-Welland schloss ihre Ausbildung zur Industriekauffrau Anfang 2015 erfolgreich vor der Industrie- und Handelskammer Köln ab. In ihrem neuen Job kann sie ihr Wissen aus ihrer langjährigen Berufserfahrung wunderbar mit dem Neugelernten verknüpfen: „Zurzeit arbeite ich im Sekretariat der Helios- und der Montessorischule, die vorübergehend im gleichen Gebäude in Ehrenfeld untergebracht sind. Zudem bin ich derzeit noch für eine Schule in der Südstadt als Sekretärin tätig“, erklärt Norma Brauer-Welland. Für die Zukunft ist angedacht, dass sie in Vollzeit für die Heliosschule arbeiten wird.

Neues Selbstbewusstsein

Norma Brauer-Welland liebt ihre neue Arbeit, die Vielfältigkeit und die Eigenständigkeit, die diese mit sich bringt. „Das umfasst eigentlich die gesamte Palette an Verwaltungstätigkeiten. Und noch mehr darüber hinaus“, erklärt sie. „Morgens nehme ich die Krankmeldungen per Telefon entgegen.

Anschließend erledige ich den ganzen Schrift- und Postverkehr der Schulleitungen und die Rechnungen und Bestellungen. Und ich kümmere mich um alle Anfragen der Schüler, etwa nach Schülerausweisen, Bescheinigungen, aber auch Pflasterkleben, Nasenbluten stillen, Knopf annähen gehören dazu – alles, was anfällt.“ Dabei kommen ihr auch ihre Fähigkeiten aus dem ,ersten‘ Berufsleben zugute: „Sei es das Verarzten von Kindern oder auch, wie gehe ich mit Menschen um, wie kann ich sie bei ihren Problemen abholen. Ich höre ihnen zu und versuche, sie zu unterstützen.“

Mir geht es jetzt viel besser! Es ist gut zu spüren: ‚Ich werde doch noch gebraucht!

Norma Brauer-Welland

Wieder Spaß an der Arbeit

Wieder arbeiten gehen zu können und das sogar Vollzeit, bedeutet Norma Brauer-Welland sehr viel. Und es gibt ihr viel Kraft und Lebensfreude: „Mir geht es jetzt viel besser! Es ist gut zu spüren: ‚Ich werde doch noch gebraucht!‘. Es ist ein sehr schönes Gefühl, morgens zur Arbeit zu gehen, und das sogar noch mit viel Spaß!“

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