Interview

Der Weg von Nadja in die Mechatronik - Geschlechterstereotype überwinden

In einer Welt, in der Frauen oft noch gegen Vorurteile und Klischees kämpfen müssen, bricht Nadja Graschi mutig in eine Männerdomäne ein. Mit Entschlossenheit und einer Portion Zufall entschied sie sich für eine Umschulung zur Mechatronikerin im BFW Köln (Berufsförderungswerk) und eröffnet damit neue Wege für Frauen in technischen Berufen. Sie ist eine der wenigen weiblichen Teilnehmerinnen in der Umschulung. „Ich bin nach einem Jahr mit meiner Entscheidung sehr glücklich, auch wenn ich immer noch sehr überrascht bin, dass mich mein Weg wirklich in die Mechatronik geführt hat.“, sagt Nadja Graschi.

Nadja, du bist 27 Jahre alt und machst eine Umschulung zur Mechatronikerin im BFW. Wie kam es dazu?

Ich bin ganz zufällig hier gelandet. Die Sozialarbeiterin in einer Tagesklinik hat mir geraten, zum Infotag des Berufsförderungswerks Köln zu gehen. Ich hatte nicht viel Hoffnung, aber dachte mir, dass ich ja nichts zu verlieren hätte. Zu dieser Zeit fühlte es sich nach einem Jahr Krankschreibung an, als wäre ich in einer Sackgasse gelandet. Also bin ich hin und das hat etwas in mir ausgelöst. Ich war skeptisch, aber dann machte ich die sechs Wochen Erprobung, in denen ich verschiedene Berufsfelder erkundete. Es war eine riesige Herausforderung für mein Ego, denn ich hatte mir fest in den Kopf gesetzt, dass ich studieren würde. Doch während des Prozesses der Erprobung wurde mir klar, dass Stabilität und Struktur in diesem Lebensabschnitt wichtiger waren als ein Bachelorabschluss. Ich hatte immer ein breites Interesse, aber nichts, wofür ich speziell brannte. Zuvor hatte ich eine Ausbildung zur Physiotherapeutin begonnen, viel getanzt und besuchte ein Jahr lang eine Schauspielschule in Köln.

Was hat dich schließlich zur Mechatronik geführt?

Die Erprobung war entscheidend. Wir haben verschiedene Berufe ausprobiert, und während ich Maschinen zusammenbaute und Elektronik testete, merkte ich, wie die Zeit verflog und wie viel Spaß ich dabeihatte. Auch die Präsentation von Mechatronikern, die ihre Arbeit vorstellten, sprach mich an. Mir gefiel ihre Gelassenheit und sie hatten aus meiner Sicht etwas sehr Geerdetes. Als ich den Elektroteil der Erprobung durchführte, erkannte ich, dass ich mich für Mechatronik begeistern kann. Obwohl ich kaufmännische Aufgaben ebenfalls gut erledigen konnte, langweilte mich die Arbeit am PC und verursachte mir Kopfschmerzen. Also entschied ich mich für Mechatronik, was mich sehr überraschte und auch jede Person, die mich kennt (lacht).

Wie war es, die einzige Frau in einer männerdominierten Umgebung zu sein?

Anfangs war es seltsam. Am ersten Tag fühlte ich mich unwohl, umgeben von Männern, die scheinbar verschlossen und „grumpy“ waren. Innerhalb kürzester Zeit entwickelten sich daraus jedoch richtig gute Freundschaften. Ich denke, dass dies nicht möglich gewesen wäre, wenn ich nicht von Anfang an klare Grenzen gesetzt hätte. Ich wollte als Mensch und Mitschülerin, nicht als Frau und als Objekt wahrgenommen werden. Es war wichtig für mich, respektiert zu werden, und wenn mir etwas nicht gefiel, habe ich es gesagt.

Woran liegt es deiner Meinung nach, dass so wenige Frauen sich an technische Berufe wagen?

Also mich persönlich sprechen eher Dinge an, die sanft, lebendig und mit Menschen verbunden sind. Die Welt der Mechatronik scheint hingegen oft grau, metallisch, hart und kalt und hat wenig mit menschlicher Interaktion zu tun. Vieles wird allein oder zu zweit erledigt, und die Denkweise ist klar, logisch und „eckig“. Ich denke außerdem auch, dass wir Frauen tendenziell geprägt sind, uns um andere zu kümmern und uns dadurch eher in der Care-Arbeit sehen.

Das heißt, dass handwerkliche Tätigkeiten den Frauen abgesprochen werden?

Ich denke, dass das Bedürfnis nach handwerklichen Tätigkeiten grundsätzlich im Menschen drin ist und wenig mit der Unterscheidung zwischen Männern und Frauen zu tun hat. In Gesprächen mit Freundinnen ist mir aber aufgefallen, dass sich wenige trauen, in handwerkliche Berufe zu gehen, obwohl ein großes Interesse besteht. Ich finde es schön, ein Beispiel zu sein, das untypisch ist und damit vielleicht auch die Tür für andere Frauen öffne.

Du warst ja immer kreativ unterwegs, wie sieht es jetzt aus?

Ich habe bis zum Start der Umschulung viel Energie darauf verwendet, etwas zu finden, das perfekt zu meinen Fähigkeiten und Interessen passt, was immer eher in die kreative und soziale Richtung ging, und war dadurch ziemlich ausgebrannt. Nun, da ich einen Beruf erlerne, bei dem ich meinen sozialen Muskel fast komplett entspannen kann und der mich durch den großen Praxisanteil so erdet, habe ich auf einmal wieder viel mehr Energie und habe auch meine Leidenschaft für das Theater wiederentdeckt. Durch die Teilnahme an einer Theatergruppe, dem Tanzen und Yoga fühle ich mich wieder lebendiger und ausgeglichener. Diese beiden sehr unterschiedlichen Aspekte in meinem Leben zu haben, schafft für mich eine ausgewogene Balance.

Was möchtest du nach der Umschulung machen?

Ich habe mich bereits für Praktika beworben. Ich kann mir nicht vorstellen, in der Industrie zu arbeiten, aber ich könnte mir vorstellen, in der Forschung zu arbeiten, dort die Maschinen zu bauen und zu warten, die zum Beispiel in der Zellforschung oder Klimaforschung eingesetzt werden. Das klingt vielleicht etwas klischeehaft, aber ich würde gerne eine Anstellung finden, in der ich das Gefühl habe, Teil der Lösung zu sein.

Welche Erfahrungswerte kannst du nun teilen?

Auf jeden Fall rate ich anderen dazu, sich mehr auszuprobieren und Ausbildungen nicht vorschnell abzulehnen. Mir fiel das total schwer, weil ich Angst hatte, mich in Bereichen zu blamieren, die ich noch nicht kannte und beherrschte. Diese Hürde konnte ich erst überwinden, als der Leidensdruck groß genug war und ich gefühlt keine Alternative mehr hatte. Und jetzt bin ich so dankbar, für diese Entdeckung! Vielleicht helfen meine Erfahrungen anderen, es nicht so weit kommen zu lassen und sich vorher schon mehr umzuschauen.

Was würdest du explizit jungen Frauen* empfehlen?

Sich auszuprobieren! Auch in Bereichen, die eher untypisch für Frauen sind. Es kann sein, dass da Interessen und Talente in dir schlummern, von denen du noch keine Ahnung hast. Mehr auf den Körper hören und dem Kopf nicht ganz so viel Raum geben. Sich öfter die Frage zu stellen, was sich gut anfühlt, und nicht, was sich gut andenkt. Und die eigenen Grenzen freundlich und deutlich kommunizieren, vor allem im Umgang mit Männern. Lieber Nein zu anderen und Ja zu dir selbst sagen als umgekehrt. Andere müssen es nicht toll finden, dass du Grenzen hast.

Und: manchmal geschehen Wunder, wenn wir uns öffnen und uns vom Leben überraschen lassen.

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