Einmischen statt ignorieren – Rassismus laut ansprechen und handeln
Baptista-Justino Nhiuane, Sema Arisoy und Muhittin Dalgic sind drei Mitarbeitende in der Senioreneinrichtung Albert-Schweitzer-Haus (ASH) in Köln-Rodenkirchen. Sie verbindet ihre Leidenschaft für ihre Arbeit in der Pflege, die das Wohlbefinden und die Zufriedenheit der Bewohner*innen gewährleisten. Sie verbindet aber auch, dass sie aufgrund ihres Äußeren, ihrer Religion oder Herkunft rassistische Äußerungen in ihrem Alltag erleben. „Rassismus und diskriminierende Handlungen werden in unserem Haus nicht geduldet“, sagt Muhittin Dalgic, Pflegedienstleiter im ASH. Das gesamte Team zeigt sich geschlossen und hält zusammen. Dabei ist es wichtig, den Mitarbeitenden, die rassistische Erlebnisse haben, einen Arbeitsplatz zu garantieren, in dem sie über ihre Erfahrungen sprechen können. Denn nur dann kann gehandelt werden.
Baptista-Justino Nhiuane arbeitet seit 1994 in der Diakonie Michaelshoven, zuerst in der Pflegeeinrichtung Haus Simeon, nach Schließung ist er dann in das Albert-Schweitzer-Haus (ASH) in Köln-Rodenkirchen gewechselt. „Mir macht mein Job sehr viel Spaß, weil ich Menschen helfen kann, sie versorge und ihnen gebe, was sie brauchen. Wir sind ein starkes Team im ASH“. Er wird von seinen Kolleg*innen für seine Arbeitsbereitschaft und Arbeitsmoral sehr geschätzt und ist mit seinen 57 Jahren ein Vorbild für die jüngeren Mitarbeitenden, denen er mit seiner ruhigen Art und der fachlichen Kompetenz viel beibringen kann.
„Es ist hier schon vorgekommen, dass ich aufgrund meiner Hautfarbe rassistische Äußerungen gehört habe“, sagt Baptista-Justino Nhiuane. „Ich ignoriere es, wenn es ein Bewohner ist, der eine demenzielle Veränderung hat“, sagt er. Es kam schon vor, dass die Verpflegung abgelehnt wurde, dann gehe ich erst mal zu anderen Bewohner*innen. „Wenn ich dann wiederkomme, dann haben sie es meist vergessen und ich kann den Bewohner verpflegen. Ansonsten sagte ich einem Kollegen Bescheid, der dann die Pflege übernimmt. Aber das ist bisher noch nicht vorgekommen“. Anders ist es bei den Menschen, die einen klaren Kopf haben. Dann fordert Baptista-Justino Nhiuane denjenigen auf, ihn mit seinem Namen anzusprechen. „Ich möchte nicht mit dem N-Wort benannt werden und nicht auf meine Hautfarbe reduziert werden. Wenn jemand meinen Namen nicht kennt, dann kann er mich immer fragen“, sagt er.
Pflegedienstleiter Muhittin Dalgic weiß von diesen Vorkommnissen, denn die Mitarbeitenden sind aufgefordert, solche Fälle zu melden. „Wir sind hier ein Team mit vielen unterschiedlichen Nationalitäten. Da ist es auch schon mal passiert, dass ich Angehörige am Telefon hatte, die dann sagten, der „Schwarze“ oder die „Schwarze“ sei im Zimmer des Bewohners gewesen und das soll nicht mehr vorkommen. Dann sage ich: ‚Gut, dann wird keiner mehr kommen, denn wir haben hier viele Mitarbeitende aus afrikanischen Ländern, mit Kopftuch oder einer anderen Herkunft und Sie werden keine Einrichtung finden, in der nur weiße Menschen arbeiten‘“, erklärt Dalgic. Wenn eine offensichtliche Beleidigung durch einen Angehörigen oder Bewohner mit einem klaren Kopf erfolgt, dann wird eine persönliche Entschuldigung von der Leitung bei dem Mitarbeitenden erwartet.
Sema Arisoy ist eine lebensfrohe und selbstbewusste Frau, die seit 2019 im ASH arbeitet. Die Pflegefachkraft weiß, wie verletzend es ist, wenn man nicht auf die Kompetenzen und Fähigkeiten schaut sondern nur auf das Aussehen reduziert wird. „Ich habe von einer Kollegin erfahren, dass sich die Betreuung einer Bewohnerin über mich beschwert hatte, und mich dabei auch nur als „die mit dem Kopftuch“ betitelt hat“, erinnert sich Sema Arisoy. Sie suchte die Konfrontation und wollte die Situation klären. „Ich habe mit der Einrichtungsleitung Herrn Heller und Herrn Dalgic über den Fall gesprochen und ihnen gesagt, dass ich das so nicht akzeptiere“, sagt Arisoy. Daraufhin wurde die Betreuerin zu einem persönlichen Gespräch eingeladen. Diese zeigte sich jedoch nicht einsichtig, daraufhin entschied das Team, der Betreuerin ein Hausverbot auszusprechen. „Im Nachhinein hat sie sich doch reumütig gezeigt und sich bei mir entschuldigt“, sagt Sema Arisoy. Vergessen wird sie solch einen Vorfall nicht, aber die Rückendeckung des Hauses gibt ihr Sicherheit. „Man muss sich erst mal beweisen, vor allem, wenn man als eine ein Kopftuch trägt“, weiß Muhittin Dalgic. Sema Arisoy trägt das Kopftuch aus eigener Überzeugung und aus religiösen Gründen.
„Die meisten Menschen zeigen sich allerdings schon betroffen, reflektieren ihre Handlung und entschuldigen sich bei unseren Mitarbeitenden. Deshalb ist es unsere Aufgabe, immer in solchen diskriminierenden Situationen einzuschreiten und rassistisches Verhalten nicht zu ignorieren“, sagt der Pflegedienstleiter. „Das ist nicht nur meine Haltung, sondern auch die Haltung der Diakonie“, fügt er hinzu. Damit kein Mitarbeitender solch eine belastende Situation mit sich alleine ausmachen muss, wird auf eine offene und transparente Kommunikation geachtet. „Niemand soll und darf diskriminierende Anfeindungen für sich behalten. Es ist wichtig, dass wir darüber in Kenntnis gesetzt werden und agieren können“, sagt Muhittin Dalgic. Als Mitarbeiter, der selbst türkische Wurzeln hat, wünscht er sich mehr Verständnis füreinander. „Integration heißt für mich auch, Interesse für das Gegenüber zu zeigen“, sagt der Pflegedienstleiter. „Was auf der Straße passiert, kann ich leider nicht beeinflussen, aber hier in unserem Haus können wir gemeinsam viel bewirken“, sagt er.
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