Susanne Hahmann zur Zukunft der Wohnungsbaupolitik: "Es reicht nicht, Pläne zu machen - wir müssen handeln!
Wohnungsnot ist DIE drängendste sozialpolitische Herausforderung unserer Zeit. Sie betrifft die gesamte Gesellschaft, trifft aber Menschen in Armut und besonderen Notlagen besonders hart. Wir haben mit Susanne Hahmann, Geschäftsführerin der Sozialen Hilfen der Diakonie Michaelshoven und Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG-W) gesprochen, die anlässlich des Tages der Wohnungslosen einen Blick auf die aktuelle Situation und die Herausforderungen wirft. Aber auch, welche Strategien zur Verbesserung der Lebenssituation wohnungsloser Menschen beitragen könnten.
Susanne Hahmann, wie siehst du die Zukunft der Wohnungsbaupolitik in Deutschland, insbesondere in Anbetracht der aktuellen Herausforderungen?
Die Bundesregierung hatte sich das Ziel gesetzt, 400.000 Wohnungen pro Jahr zu bauen. Seit Putins Angriff auf die Ukraine ist viel passiert! Steigende Baukosten, zweitweise Materialengpässe, aber auch aufgrund von Fachkräftemangel und andere Herausforderungen haben dazu geführt, dass dieses Ziel nicht erreicht wurde. Im letzten Jahr wurden zwar immerhin, aber gleichzeitig auch nur etwa 287.000 Wohnungen fertiggestellt. Die Prognosen für die kommenden Jahre sind noch düsterer. Das Ifo. Institut schätzt, dass 2027 nur 175.000 Wohnungen gebaut werden. Das ist alarmierend und zeigt, wie dringend intensive und nachhaltige Maßnahmen ergriffen werden müssen, um diese Situation zu verbessern. Denn Wohnungsnot und soziale Ungleichheit erhöht die gesellschaftlichen Spannungen.
Der soziale Zusammenhalt darf nicht durch die Konkurrenz um knappen Wohnraum zerstört werden. Jeder Mensch hat ein Recht auf angemessenen Wohnraum. Hier sind alle gesellschaftlichen Kräfte gefordert, die Ärmel hochzukrempeln und Antworten und Lösungen auf die Herausforderungen zu finden. Jetzt handeln, um Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit bis 2030 zu beenden.
Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, die Obdach- und Wohnungslosigkeit in Deutschland bis 2030 zu beseitigen. Wie schätzt du dieses Vorhaben ein?
Die Bundesregierung hat das Thema Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit auf die Agenda gesetzt. Das Bundeskabinett hat am 24.April 2024 beschlossen, dass die Wohnungslosigkeit bis 2030 überwunden werden muss. Dies soll durch eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund, Ländern, Kommunen sowie Akteuren aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft erreicht werden. Das hat es so generell und auch in dieser Dimension bisher noch nicht gegeben! Das Thema Wohnungsnot ist sehr breit und die Probleme nehmen derzeit noch weiter zu. Sich auf den Weg zu machen ist keine leichte Aufgabe. Aber es ist unbedingt richtig, ein breites Bündnis für die Bewältigung dieser Herausforderungen zu mobilisieren.
Wie kommt ihr denn mit euren Zielen voran?
Seit zwei Jahren wird am Nationalen Aktionsplan gearbeitet. Es ist so viel Zeit verstrichen, ohne dass Ergebnisse präsentiert wurden. Es ist viel gesprochen und diskutiert worden. Bisher sind die Ergebnisse überschaubar. Das macht ungeduldig!
Hast du denn den Eindruck, dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen?
Im Rahmen des Nationalen Aktionsplans waren sehr viele Beteiligten dabei, aber das Ergebnis ist oft frustrierend, weil es an konkreten Maßnahmen fehlt. Statt klarer Förderungen gibt es eher Aufrufe, etwas zu tun. Es braucht sehr viel Entschlossenheit und vor allem Zusammenarbeit ohne die Verschiebung von Verantwortlichkeiten, Schuldzuweisung zwischen Bündnispartnerinnen- und partner.
Was wären Deiner Meinung nach die wichtigsten Schritte, um den Nationalen Aktionsplan von Worten in Taten umzusetzen?
Es wurde ein umfassender Maßnahmenkatalog erarbeitet. Auch gibt es nun Arbeitsgruppen, die sich mit den Themen Hilfen, Hilfesysteme, Notversorgung, Prävention und Wohnraumversorgung beschäftigen. Es reicht nicht, Pläne zu machen Es müssen konkrete Rahmenbedingungen, Förderungen und Standards definiert werden, und das betrifft alle Ebenen: Bund, Länder und Kommunen. Auch die Wohnungswirtschaft und Wohnungsbaugesellschaften spielen eine zentrale Rolle. Und es muss sichergestellt werden, dass der geschaffene Wohnraum auch tatsächlich den Menschen zugutekommt, die ihn am dringendsten benötigen, nämlich den Menschen, die in Armut oder in Notsituationen leben. Und es besteht ein dringender Bedarf an Wohnungen, die im Rahmen der Mietobergrenzen vermietet werden können.
Wenn wir uns konkret den Kölner Wohnungsmarkt anschauen. Welche Gruppen sind von Wohnungslosigkeit betroffen?
Köln ist eine Zuzugsmetropole, was den Druck auf den Wohnungsmarkt zusätzlich enorm verstärkt. Verschiedene Gruppen, wie Studierende und Alleinstehende, konkurrieren um denselben Wohnraum, wobei Studierende oft im Vorteil sind, da sie häufig Eltern im Hintergrund haben, die Kautionen oder Bürgschaften übernehmen. Gleichzeitig gibt es eine wachsende Zahl von Menschen, die aufgrund schlechter SCHUFA-Einträge oder anderer sozialer Probleme Schwierigkeiten haben, eine Wohnung zu finden. Zudem hat der Zuzug von geflüchteten Menschen, insbesondere aus der Ukraine, den Wohnungsmarkt weiter angespannt. Es braucht dringend Kontingente für Menschen in Notlagen und die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, um diesen Druck zu mindern.
Welche Lösungen siehst du für Köln?
In Städten wie Köln sind der Leerstand und Zweckentfremdung ein großes Thema, das mehr Aufmerksamkeit verdient. Es ist wichtig, vorhandene Wohnungen zu nutzen und z.B. leerstehende Büroflächen in Wohnimmobilien umzuwandeln. Zudem müssen Bauflächen sinnvoll genutzt werden, zum Beispiel durch den Bau von Wohnraum auf Supermärkten oder Parkplätzen. Auch die steigende Zahl von Singlehaushalten führt dazu, dass immer mehr Wohnfläche von immer weniger Menschen genutzt wird, was ein Problem darstellt. Daher braucht es eine Vielfalt an Maßnahmen, einschließlich modularen Bauens, um den unterschiedlichen Bedarfen gerecht zu werden.
Die Wohnhilfen der Diakonie Michaelshoven sind auch im Oberbergischen Kreis tätig. Welche Unterschiede gibt es zwischen Stadt und Land?
Die Wohnungsnot in den Städten ist sichtbarer und die Zahl der Wohnungslosen ist höher, aber auch in ländlichen Regionen gibt es Menschen, die in prekären Situationen leben, das ist in aller Regel verdeckter. Es gibt aber auch diese Extremsituationen, mit denen die Kolleginnen und Kollegen der Wohnhilfen Oberberg täglich konfrontiert sind: die Menschen, die in Notunterkünften leben, die z.B. aufgrund von häuslicher Gewalt aus ihrer Wohnung rausmüssen, und nicht wissen wohin. Wohnungsnot gibt es an allen Standorten, auch hier sind die Ausprägungen nur unterschiedlich.
Neben dem großen Thema der Wohnungen und Wohnungsnot gibt es im Nationalen Aktionsplan noch den starken Baustein der Prävention.
Jede Wohnung, die nicht verloren geht, ist eine gute Wohnung. Das bedeutet, die Menschen können in ihren Wohnungen bleiben und die Mieten für diese Wohnungen können nicht steigen. Das sind Konzepte, die gut funktionieren und da haben wir viel gute Erfahrungen mit gesammelt. In Köln gibt es zum Beispiel das Modell der Fachstelle Wohnen der Stadt Köln, aber auch Konzepte wie Bermico (ein Präventionsprojekt freier Träger), welche Menschen in Wohnungsnot helfen sollen, ihre Wohnung zu behalten. Im Oberbergischen Kreis gibt es Beratungsstellen, die bei uns als freiem Träger angesiedelt sind und die sehr gut und effektiv arbeiten. Wir halten es für unabdingbar, dass die Prävention für Menschen in Wohnungsnot in Deutschland flächendeckend und verbindlich geregelt wird.
Was machst du am 11.9. zum Tag der Wohnungslosen?
Am Tag der Wohnungslosen werde ich nach Berlin reisen, um das Parlamentarischen Frühstück im Bundestag mit zu eröffnen und teilzunehmen. Dieses beginnt um 07:30 Uhr und bietet die Gelegenheit, direkt mit Parlamentariern Brian Nickholz von der SPD, Hannah Steinmüller von den Grünen und weiteren Parlamentarier*innen über unsere Anliegen zu sprechen. Am Nachmittag nehme ich an einer Konferenz der SPD-Fraktion teil, die von 12:00 bis 18:00 Uhr stattfindet. Dort wird es auch eine Podiumsdiskussion mit Sören Barthol, dem Parlamentarischen Staatssekretär für Wohnen, Stadtentwicklund und Bauwesen, geben. Es ist eine wichtige Gelegenheit, um Druck auf die Politik und die relevanten Akteure auszuüben und die dringenden Themen der Menschen in Wohnungsnot anzusprechen.
Das Thema Wohnungsnot ist eine riesige Herausforderung! Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist aber ja auch keine Raketenwissenschaft und die Antworten sind da. Der Wille und das gezielte, nachhaltige Engagement für das Thema kann diese Notsituation überwinden! Dafür fahre ich nach Berlin!
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