Kaufleute im E-Commerce – der Topseller unter den neuen Berufen
Der Onlinehandel boomt und hat durch die Corona-Pandemie einen enormen Schub erhalten. 85 Prozent der Einzelhändler verkaufen heute ihre Produkte parallel zum Geschäft oder ausschließlich im Internet (Bitkom Research 2021). 2019 waren es gerade mal 58 Prozent. Diese rasante Entwicklung fordert Fachkräfte, die auf den Onlinehandel spezialisiert sind. Seit zwei Jahren bietet das Berufsförderungswerk Köln die Ausbildung „Kaufleute im E-Commerce“ als Umschulung an. Ein neuer Beruf, der den Absolvent:innen eine erfolgreiche Karriere verspricht und den digitalen Handel mit professionell ausgebildeten Arbeitskräften versorgt.
Um einen erfolgreich laufenden Webshop zu betreiben, braucht man mehr als nur ein überzeugendes Produkt. Der Kunde will nicht nur alle relevanten Informationen sehen und nachlesen können, sondern möchte auch ein „sicheres“ Geschäft abschließen, dass transparent ist und keine Fragezeichen hinterlässt. „E-Commerce ist weitaus mehr, als nur bei Ebay-Kleinanzeigen mal eben etwas zu verkaufen“, sagt Nils Mischo, einer der fünf Ausbilder:innen der Qualifizierung. In der zweijährigen Umschulung geht es neben den kaufmännischen Grundlagen beispielsweise auch um Onlinemarketing, Sortimentsgestaltung, Kundenkommunikation über Chats oder Messenger, die Suche nach geeigneten Online-Vertriebskanälen sowie Rückabwicklungsprozesse.
Alle elf Teilnehmer des ersten Kurses 2019 haben in diesem Sommer die IHK-Abschlussprüfung erfolgreich bestanden. Außerdem haben fast alle Absolventen im direkten Anschluss einen Job gefunden. „Einige von ihnen suchen wieder einen neuen Job, weil sie inzwischen wegen des guten Marktes anderswo mehr verdienen können“, sagt Nils Mischo. Zwischen 2.100 und 3.600 Euro brutto sei für die Berufseinsteiger drin, je nach Branche und Region. Die Absolventen arbeiten in Werbeagenturen, größeren Online-Shops, Startups oder im Online-Marketing für Profitunternehmen. Jedes halbe Jahr startet ein neuer Kurs, und es sind derzeit 40 Menschen, die am BFW Köln die Ausbildung zu Kaufleuten für E-Commerce durchlaufen.
E-Commerce ist weitaus mehr, als nur bei Ebay-Kleinanzeigen mal eben etwas zu verkaufen.
Nils Mischo
Wie ein neuer Beruf entsteht und zur Ausbildung wird
Neue Berufe werden vom Bundesinstitut für berufliche Bildung gemeinsam mit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden entwickelt. Die neue Ausbildung „Kaufleute für E-Commerce“ wurde 2018 durch eine Verordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung legitimiert und im Anschluss auf Infoveranstaltungen vorgestellt. Gerald Licht, einer der Bereichsleiter der kaufmännischen Berufe, lernte den neuen Beruf auf einer Infoveranstaltung kennen und erkannte das Potenzial. „Uns war schnell klar, dass dieses neue Berufsbild für unsere Zielgruppe in der Reha optimal ist und wir es anbieten wollen“, erklärt Gerald Licht.
In einer internen Entwicklungsgruppe beschäftigten sich Gerald Licht, Angela Esch, Ugur Yilmaz, Nils Mischo und weitere Mitarbeitende intensiv mit der praktischen Ausführung der Ausbildung. „Die Ausbildung am BFW geht zwei Jahre und ist somit kürzer als sonst üblich. Wir haben ein Konzept geschrieben, wie es bei uns aussehen könnte und auch festgelegt, welches technische Equipment benötigt wird“, erklärt Licht. Ein E-Commerce Shopsystem, Fotoboxen für Produktbild-Erstellung, Green-Screen Bereiche, und PC-Arbeitsplätze mit großen Monitoren, an denen die Umschüler:innen sich ausprobieren können, sind einige der Anschaffungen. Die Kostenträger, vor allem die Agentur für Arbeit und die Rentenversicherung, erklärten sich mit dem Konzept einverstanden. Für den ersten Kurs 2019 gab es direkt sehr viele Interessent:innen.
Uns war schnell klar, dass dieses neue Berufsbild für unsere Zielgruppe in der Reha optimal ist und wir es anbieten wollen.
Gerald Licht
Viel Praxis, viel Digitales und viel Kreativität
Die Menschen, die sich für diese Umschulung entscheiden, sind im Altersdurchschnitt jünger als Rehabilitand:innen in anderen Qualifizierungen. Das lässt sich auch durch den Schwerpunkt der Ausbildung erklären. „Eine digitale Affinität, eine gewisse Vorliebe für soziale Medien und Onlineprodukte ist sicherlich von Vorteil, wenn man diese Ausbildung absolvieren will. Auch kreative Fähigkeiten sind hilfreich im Bereich der Produktdarstellung und im Online Marketing, wenn es um den Text, die Bebilderung oder die Videotechnik geht“, sagt Nils Mischo.
Um sich auszuprobieren, arbeiten die Azubis an einem Webshopsystem. Jede Gruppe hat dabei einen eigenen Webshop mit einer eigenen Domain. Und an diesen Shops arbeiten sie eigenständig, sei es die Auswahl der Produkte, Kategorien, Rechtliches, Gestalterisches, das Impressum, Bezahlsysteme oder auch die Beschreibungstexte. Im Lernfeld Sortimentsgestaltung stellen sie sich die Fragen: Wie kann ich ein Produkt so beschreiben, das ich als potenzieller Kunde da draufklicke und in den Warenkorb lege. Welche Keywords nutze ich um von Google hochgerankt zu werden, wie setze ich ein Produkt so ins Bild, damit es ansehnlich ist.
Die Ausbildung beinhaltet mehr praktische Anteile als in anderen Berufsfeldern. „Wir haben bei dieser Ausbildung insgesamt 8 Praktikumsmonate vorgesehen, gesplittet in drei und fünf Monate“, sagt Gerald Licht. 2019 gab es noch keine große Auswahl an Ausbildungsbetrieben für die Umschüler:innen. „Mittlerweile haben wir eine große Liste an entsprechenden Unternehmen in Köln, Bonn und Düsseldorf, die Praktikumsplätze an unsere Umschüler vergeben“, erklärt Licht. Doch die Umschüler:innen sollen sich auch eigenständig um einen Praktikumsplatz bemühen. „Der Bewerbungsprozess gehört zur Ausbildung, dabei ist Kreativität in jeglicher Form gefragt,“ erklärt Nils Mischo.
Immer auf dem neuesten Stand
Die fünf Ausbilder:innen und die Teamleiterin Angela Esch vernetzen sich einmal die Woche, um die Lernerfolge der Umschüler:innen zu besprechen, Anpassungen bei den Modulen vorzunehmen und dadurch die Umschüler:innen so gut wie möglich auf die IHK Abschlussprüfung vorzubereiten. Auch stehen schon Überlegungen zu neuen Investitionen an: „Wir werden in einen neuen Webshop investieren, da wir auf ein populäres System setzen wollen. Und wir werden unsere Schulungen über SAP noch ausbauen und gegebenenfalls Google Online Marketing Zertifikate anbieten, um den aktuellen Marktanforderungen gerecht zu werden“, sagt Nils Mischo.
Der nächste Kurs steht nun kurz vor der IHK-Abschlussprüfung. Die Ausbilder:innen bereiten die Teilnehmer:innen auf die Prüfung vor. Sie alle sind sich sicher, dass auch diese zukünftigen Kaufleute für E-Commerce einen sicheren Job mit Erfolgsgarantie finden werden.
Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.
0 Kommentare