Blog der Diakonie Michaelshoven

Besondere Menschen aus Köln erzählen besondere Geschichten

Wir wollen Einblicke in außergewöhnliche Lebenswelten schaffen und euch die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen vorstellen, die bei uns leben und arbeiten. Außerdem stellen wir euch besondere Projekte vor, die helfen, die Lebensqualität dieser Menschen zu erhöhen.

Und es gibt immer mehr Menschen in Köln, die diese Unterstützung benötigen. Umso wichtiger ist es hinzuschauen und aktiv zu werden, indem ihr die Geschichten weitererzählt oder sogar ehrenamtlich helft. Nur so können wir näher zusammenrücken! Wir wünschen euch viel Spaß auf diesen Seiten und freuen uns auf euer Feedback.

Interview

Hilferufe aus dem Klassenzimmer – neue Schulsozialarbeiterin bringt Entlastung

Finanzielle Probleme oder auch psychische Belastungen führen dazu, dass sich junge Menschen in der Ausbildung nicht mehr auf das Lernen konzentrieren können und sogar die Ausbildung abbrechen. Das haben die Lehrer*innen im Berufskolleg Michaelshoven im Kölner Süden mit Beginn der Pandemie verstärkt festgestellt und haben reagiert. Ilona Keller ist seit August 2022 als Schulsozialarbeiterin am Berufskolleg fest angestellt und steht den jungen Menschen bei ihren persönlichen Herausforderungen und Schwierigkeiten beratend zur Seite.

Ilona, Du bist die erste Schulsozialarbeiterin am Berufskolleg Michaelshoven. Warum wurde diese Stelle neu geschaffen?

Die Lehrkräfte und die Schulleitung haben insbesondere in den letzten zwei Jahren der Pandemie festgestellt, dass psychische Belastungen ein großes Thema bei den Studierenden und Schüler*innen sind und darüber hinaus ihre Probleme immer komplexer werden. Die Lehrkräfte können die Bedarfe und Beratung der jungen Menschen aufgrund fehlender zeitlicher Kapazitäten nicht abdecken. Deshalb wurde unter anderem die Stelle der Schulsozialarbeit geschaffen. Ich stehe den jungen Menschen aktuell vor allem in akuten Notsituationen und persönlichen Lebenskrisen zur Seite. Und ich bin auch Ansprechpartnerin für Eltern und Lehrkräfte.

Ich arbeite eng mit dem Kollegium und der Schulleitung zusammen. Dabei geht es auch darum, die Ausgestaltung meiner Arbeit abzusprechen, denn diese Stelle gab es bisher noch nicht. Und da ist es mir wichtig zu verstehen, wie die Schule funktioniert und wo ich vor allem perspektivisch präventiv ansetzen kann.  

Wie genau läuft die Schulsozialarbeit ab?

Der wichtigste Aspekt ist, dass es sich um ein freiwilliges und vertrauliches Angebot handelt. In der Regel ist der Ablauf so, dass die Studierenden und Schüler*innen Kontakt mit mir aufnehmen. Meistens erfolgt der Erstkontakt und die Terminfindung über Mail. Die Beratung findet dann persönlich in meinem Büro statt und bei kleineren Anliegen besuchen mich die Schülerinnen und Schüler während der Schulpausen. Es kommt auch vor, dass Schüler*innen aus dem Unterricht herausgekommen sind, weil sie sich in einer akuten, für sie belastenden Situation befanden. Auch Lehrkräfte informieren mich, wenn sie denken, dass jemand Gesprächsbedarf hat, damit ich dann von mir aus den Kontakt aufnehme und ein Gespräch anbiete. Also es wird jetzt schon sehr gut genutzt, der Bedarf ist da, das habe ich schnell gemerkt. Perspektivisch geht es mir darum, diejenigen anzusprechen und zu erreichen, die nicht von sich aus das Angebot nutzen wollen, aber definitiv Unterstützung benötigen.

Mit welchen Themen wirst Du denn bei deinen Gesprächen konfrontiert?

Ich erhebe eine Statistik darüber, mit welchen Anliegen und aus welchen Bildungsgängen die Schülerinnen und Schüler zu mir kommen. Meine Aufgabe ist es dabei zu beraten. Die Schüler*innen erklären mir ihre Situation und die Schwierigkeiten, und manchmal dauert es auch ein paar Termine, bis eine Lösung gefunden wird. Die Themen sind zum Beispiel psychische Belastungen, Depressionen, Schwierigkeiten in der Familie und in der Beziehung, unter anderem auch Gewalt in der Beziehung. Und Angststörungen, die z.B. aufgrund der letzten zwei Jahre in der Isolation wiederaufgekommen sind oder auch Prüfungsängste. Ich hatte jetzt auch einige Schüler*innen in der Beratung, die mit finanziellen Problemen auf mich zugekommen sind, die Rechnungen nicht bezahlen können und Hilfe brauchen. Es gab auch ein paar wenige Gespräche über einen Nachteilsausgleich, das bedeutet, wenn jemand zum Beispiel eine Lese-Rechtschreibschwäche hat und die entsprechenden Nachweise erbringt, kann die Schule einen Nachteilsausgleich, welcher gemeinsam vereinbart wird, gewähren Ich hatte auch Gespräche, wo es um starke Konzentrationsschwierigkeiten geht. Hier braucht es erst mal eine klare Diagnose, bzw. ein Gutachten, aus dem hervorgeht, welche Unterstützung benötigt wird. Auch sprachliche Schwierigkeiten sind ein Thema, da organisiere ich dann Nachhilfe für Schüler*innen, für die Deutsch eine Fremdsprache ist, damit sie beim Lernstoff mitkommen können. 

Ilona Keller Schulsozialarbeiterin
Ilona Keller steht den Schüler*innen zur Seite, wenn es Gesprächsbedarf gibt.
Ilona Keller Schulsozialarbeiterin
Der Erstkontakt und die Terminvergabe erfolgt über Email, die Treffen sind alle persönlich.

Wie kannst du bei finanziellen Schwierigkeiten helfen?

Erstmal schaue ich, was das genaue Problem ist, welche Kosten auf denjenigen zukommen und mache anschließend eine Kostenaufstellung für den Überblick. Manche sind so überlastet, dass sie den Überblick verloren haben. Gemeinsam schauen wir, was als Erstes zu tun ist. Muss jemand benachrichtigt werden, beispielsweise der Vermieter, weil man in Mietverzug gekommen ist? Häufig ist es so, dass BAföG-Anträge noch nicht bearbeitet sind, oder sich die jungen Heranwachsenden verkalkuliert haben. Und dann ist auch zu prüfen, welche Leistungen einem zustehen, gibt es Kindergeld, oder einen Anspruch auf Wohngeld? Wir legen dann gemeinsam die nächsten Schritte fest. Und wenn das nicht reicht und die Probleme schwerwiegender sind, dann gestalte ich die Überleitung an eine geeignete Schuldnerberatungsstelle.

Greifst du auf ein Netzwerk zurück, um Input reinzuholen?

Ich bin gerade dabei, ein entsprechendes Netzwerk aufzubauen. Da ich lange Zeit in der Jugendhilfe der Diakonie Michaelshoven gearbeitet habe, bestehen da schon viele Kontakte. Aber ich möchte mich natürlich auch extern vernetzen und tausche mich daher auch mit Schulsozialarbeiter*innen im Umfeld aus. Es gibt z.B. einen Arbeitskreis hier im Kölner Süden, in dem schon mitwirke und wir uns gegenseitig bei Fragestellungen beraten. Ich stehe auch mit der Stadt Köln im Kontakt, die Angebote und Fortbildungen für die Schulsozialarbeit anbietet. Wenn der Bedarf und die notwendige Unterstützung meine Kompetenz und Kapazität übersteigt, dann wende ich mich immer an Beratungsstellen, um die bestmögliche Hilfe anbieten zu können.

Du hast vor zehn Jahren deine Ausbildung am Berufskolleg Michaelshoven gemacht. Was hat sich seitdem verändert?

Neben den Belastungen durch die Pandemie, die wir alle spüren, haben sich auch die Bildungsgänge verändert. Damals gab es z.B. die praxisintegrierte Ausbildung (PIA) noch gar nicht, während der man zum Teil zur Schule geht, aber auch teilweise schon in der Praxis arbeitet. Natürlich ist diese Ausbildung finanziell attraktiv, da die Schülerinnen und Schüler ein Ausbildungsgehalt bekommen. Dafür haben die jungen Auszubildende aber auch oft andere Probleme, weil sie den Spagat zwischen Schule und Ausbildungsstätte bewältigen müssen. Und häufig ist es so, dass die jungen Auszubildenden in der Praxis zu „hart rangenommen“ werden. Der Fachkräftemangel ist spürbar. Ich finde, die Pandemie hat einiges aufgedeckt, was vorher nicht sichtbar war, aber durchaus schon existierte.

Ilona Keller Schulsozialarbeiterin
Ilona Keller weiß vor welchen Herausforderungen die Schüler*innen stehen.

Sind denn Jobs in der Sozialbranche belastend?

Nicht nur der Job ist herausfordernd, sondern es kommen noch zusätzlich die schulischen Herausforderungen hinzu. Dann haben einige Familie, müssen nebenbei noch arbeiten. Oder sie haben psychische Belastungen zu bewältigen.

Was möchtest du mit deiner Arbeit erreichen und was ist geplant?

Ich möchte unter anderem, dass wir in der Schule aktiv werden, bevor Studierende und Schüler*innen die Ausbildung abbrechen. Und das braucht Zeit, dort präventiv anzusetzen. Daher möchte ich die jungen Menschen rechtzeitig abholen und unterstützen, damit sie ihre Ausbildung weitermachen können. Ich lade die Schüler*innen und Studierenden seit einiger Zeit jeden Montag zu einem offenen Kaffeeplausch in der ersten Pause ein, um ins Gespräch zu kommen. Mit der Schüler*innenvertretung stehe ich im engen Kontakt, die die Angebote weiter an die Klassen tragen. Wir haben auch gemeinsam Ideen für notwendige Angebote entwickelt. Für dieses Jahr plane ich Workshops zum Thema Achtsamkeit und Selbstfürsorge. Das ist ein wichtiges Thema, um gesund in dieser herausfordernden Zeit der schulischen Ausbildung und auch im Job zu bleiben. Das habe ich selbst bei meiner langjährigen Tätigkeit in der Jugendhilfe festgestellt.

Du selbst hast deine Ausbildung zur Erzieherin am Berufskolleg Michaelshoven absolviert und bist jetzt zurück. Wie ist das für dich?

Ich habe damals positive Erfahrungen im Berufskolleg gemacht und ich bin auch jetzt sehr gerne in dieser Schule. Es ist eine kleine Einrichtung, die sehr behütet ist. Für mich ist das jetzt ein neues Kapitel in meinem Berufsleben, auf das ich mich freue. Natürlich ist es auch so besonders, weil ich selber meine Ausbildung im Berufskolleg Michaelshoven gemacht habe. Ich habe da eine Nähe zu den Studierenden und Schüler*innen, die hier ihre Ausbildung machen, weil ich mich daran erinnern kann, vor welchen Herausforderungen ich selbst damals gestanden habe und was es bedeutet, mit einer schulischen Ausbildung und beispielsweise finanziellen Problemen oder anderen belastenden Situationen umzugehen. 

Ilona Keller begann 2012 ihre Ausbildung zur Erzieherin am Berufskolleg Michaelshoven und hat darüber das Berufsanerkennungsjahr in der Diakonie Michaelshoven gemacht. Sie studierte im Anschluss Soziale Arbeit an der TH Köln und arbeitete parallel als Fachkraft in der stationären Kinder-und Jugendhilfe der Diakonie Michaelshoven. Nach dem Studium arbeitete sie in verschiedenen Wohngruppen der Jugendhilfe Michaelshoven und zuletzt bei den Ambulanten Familienhilfen in Leverkusen. 2022 hat die 32-Jährige die neugeschaffene Stelle als Schulsozialarbeiterin im Berufskolleg Michaelshoven angetreten und arbeitet einmal die Woche zusätzlich an der Henry-Ford-Realschule in Chorweiler als Leiterin einer Arbeitsgruppe für die Mittelstufe mit dem Schwerpunkt Achtsamkeit und Selbstfürsorge.

Infos zu den Ausbildungsgängen im Berfufkolleg Michaelshoven findest du hier.

 

Wir sind soziale Wesen und sind nicht dafür gemacht, alles alleine auszumachen. Sich anvertrauen und Unterstützung holen ist der erste Schritt, um sich weiterzuentwickeln und persönliche Probleme anzugehen.

Ilona Keller
0 Kommentare  
 

Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.

0 Kommentare