Ein Abschied voller Erinnerungen und Wünsche - Interview mit Birgit Heide
Nach 23 Jahren in der Diakonie Michaelshoven, davon 14 Jahren im Amt des theologischen Vorstands, verabschiedet sich Birgit Heide in den Ruhestand. In dieser Zeit hat sie die Diakonie Michaelshoven in Köln maßgeblich geprägt und zahlreiche Begegnungen mit Menschen erlebt, die ihr Leben bereichert haben. In einem letzten Gespräch blickt sie auf ihre Erfahrungen zurück und erzählt von ihrer tiefen Verbundenheit zum Protestantismus. Außerdem teilt sie ihre Wünsche und Hoffnungen für die Zukunft der Diakonie Michaelshoven und gibt einen Einblick in ihre Pläne für den Ruhestand.
Frau Heide, nach 23 Jahren Diakonie Michaelshoven heißt es für Sie nun Abschiednehmen. Oft heißt es ja dann, man geht mit einem weinenden und lachenden Auge. Stimmt das?
Das stimmt schon. Lachend, weil ich mehr Zeit für Familie, Sport und Politik haben werde und mich weiterhin für das Gemeinwohl engagieren möchte. Und das weinende Auge, weil ich hier in der Diakonie Michaelshoven sehr gerne gearbeitet habe, und den Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen immer unglaublich geschätzt habe. Das wird mir auf jeden Fall fehlen.
Sie waren 2009 die einzige weibliche Kandidatin bei insgesamt 15 Bewerbungen für den Posten des theologischen Vorstands. Wie haben Sie das empfunden?
Es hat mich nicht wirklich überrascht, da es zu der Zeit leider so war, dass Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert waren. Im Kreis der leitenden Theologen im Rheinland war ich lange die einzige Frau. Ich hatte aber den Eindruck, dass man jemanden suchte, der vielfältige berufliche Erfahrungen mitbrachte, also etwas mehr über den Tellerrand schauen konnte, und das unabhängig vom Geschlecht.
In Ihrer Abschiedsrede sprachen Sie von ihrem Protestantenherz. Was macht für Sie einen Protestanten aus?
Ich weiß nicht, wie andere es definieren würden, aber für mich gehört zu einem Protestanten auch pflichtbewusst und demütig zu sein. Es war mir immer wichtig, meine Aufgaben gewissenhaft zu erfüllen und mich mit der Diakonie nicht nur im Sinne eines Jobs zu beschäftigen. Ich glaube, es gab in den letzten Jahren keinen Tag, an dem ich nicht an die Diakonie Michaelshoven gedacht habe.
Wie viel Luther war in ihrem Handeln und ist sie gegenwärtig?
Für mich ist die Freiheit eines Christenmenschen, von der Martin Luther spricht, sehr wichtig. Es ist mir wichtig, dass ich in meinem Denken und Handeln frei bin, aber eben auch Verantwortung übernehmen muss. In dieser Hinsicht halte ich Luther auch für total modern. Wichtig ist aber, die Balance zu halten und die Freiheit immer auch im Sinne des Ganzen zu nutzen.
Sie haben die Fortbildungsreihe „Was ist Diakonie“ eingeführt zu der sich neue Mitarbeitende anmelden können/müssen. Was war dabei Ihre Intention?
Wir haben alle gemerkt, dass viele Mitarbeitende, auch wenn sie noch einer christlichen Kirche angehören, nicht viel über die Kirche, ihre Traditionen und Aufgabenfelder wussten. Mein Lieblingsbeispiel dabei war auf die Frage „Was ist Diakonie“ die Antwort: Die evangelische Caritas. Nicht völlig falsch, aber…
Wir wollten mit der grundlegenden Fortbildung sicherstellen, dass unsere Mitarbeitenden kommunikationsfähig bleiben und in der Lage sind, Fragen zu beantworten, wenn sie zum Beispiel von Kunden auf kirchliche Themen, zur Diakonie und unserem Auftrag angesprochen werden. Und es schadet ja auch nicht zu wissen, auf welcher Grundlage man arbeitet.
Sie haben die Diakonie Michaelshoven als Heimat empfunden. Können Sie das näher erläutern?
Ich habe mich hier zuhause gefühlt. Das hatte damit zu tun, dass ich in der Diakonie eine Aufgabe gefunden hatte, die nah an der Kirche war, aber auch nicht völlig fern von Politik, aus der ich ja kam. Diese beiden Themenfelder haben mich in meinem Leben am meisten beschäftigt und hier konnte ich sie miteinander verbinden.
Wir haben als Vision für die Diakonie Michaelshoven formuliert, dass wir Menschen eine Heimat geben wollen. Das ist sozusagen unser roter Faden von Anfang an. Bald 75 Jahre! Für mich ist diese Vision im Beruf Realität geworden, dank der vielen Begegnungen mit Menschen, die mich auf meinem Weg begleitet und unterstützt haben, seien es Kolleginnen und Kollegen oder Bewohnerinnen und Bewohner.
In 23 Jahren haben Sie auch einige Veränderungen miterlebt. Welche waren prägnant?
Ich erinnere mich natürlich an alle Umstrukturierungen, die wir „durchgemacht“ haben und die das Unternehmen immer wesentlich verändert und positiv bewegt haben. Die erste war die Umwandlung der Unternehmensbereiche in selbstständige Tochtergesellschaften. Ein damals großer, vieldiskutierter aber wie wir heute sehen absolut richtiger Schritt.
Und ich erinnere mich natürlich sehr gern an unseren ersten unternehmensweiten Leitbildprozess, an dem intensiv die Mitarbeitenden beteiligt waren und an dessen Ende unser Claim „Mit Menschen Perspektiven schaffen“ feststand.
Was sind die größten kirchlich/theologischen Herausforderungen, die Sie derzeit sehen?
Eines der größten Probleme ist die zunehmende Säkularisierung. Die Diakonie ist unmittelbar mit kirchlichen Traditionen verbunden, fußt auf biblischen Erzählungen. Wenn das den Menschen immer gleichgültiger wird, haben wir eine Herausforderung mit unserem Begründungszusammenhang. Wenn wir wollen, dass Menschen verstehen, warum wir unsere Aufgaben so erfüllen wie wir sie erfüllen, müssen wir sie im einladenden Sinn für die frohe Botschaft und das christliche Verständnis vom Menschen gewinnen. Und das müssen wir in Zukunft wohl noch stärker selber tun.
Gab es besondere Begegnungen?
Es gab viele Begegnungen, die mich berührt haben, wie bspw. die mit dem damaligen Präses Nikolaus Schneider, der mir zu Beginn meiner Tätigkeit sehr persönlich seine Unterstützung angeboten hat. Das war so überraschend aber auch sehr zugewandt. Und ich erinnere mich besonders gerne an eine Begegnung mit einem Mann, der in einer Wohngruppe für Menschen mit einer Behinderung lebte. Kurz nachdem mein Mann gestorben war, kam er auf mich zu und fragte: „Ich habe das mit deinem Mann gehört. Wie geht es dir?“ Diese Begegnung hat mich sehr berührt und ich werde sie nie vergessen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Diakonie?
Ich wünsche mir, dass die Arbeit der Diakonie auch weiterhin so erfolgreich bleibt wie bisher und dass wir noch mehr Gutes für Menschen in schwierigen Lebenssituationen tun können. Die wichtigste Ressource einer Diakonie sind die Mitarbeitenden. Es ist wichtig, dass die Rahmenbedingungen auch für sie so bleiben, dass auch sie hier- so wie ich - eine berufliche Heimat finden. Allen, die hier leben und arbeiten, wünsche ich eine glückliche Zukunft voller schöner Perspektiven und Gottes Segen.
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